Krankenkassen

Alte und Kranke unerwünscht?

Das Bundesversicherungsamt hat einen Sonderbericht zum Wettbewerb in der gesetzlichen Krankenversicherung vorgelegt. Daraus geht unter anderem hervor, dass Krankenkassen Rentner und chronisch Kranke benachteiligen. Die dbb bundesseniorenvertretung kritisiert die Praxis der Kassen.

Vor 25 Jahren hat der Gesetzgeber die gesetzlichen Krankenkassen mit der Einführung der freien Kassenwahl und des Risikostrukturausgleichs (RSA) in den Wettbewerb entlassen. Damit verfolgte er das Ziel, die Krankenkassen in ein Konkurrenzverhältnis untereinander zu stellen, um Innovationen im Gesundheitswesen, eine bessere Versorgung sowie Serviceorientierung gegenüber den Versicherten zu fördern.

Als Aufsichts -und Durchführungsbehörde für den Risikostrukturausgleich hat das Bundesversicherungsamt (BVA) das Jubiläum zum Anlass genommen, den Wettbewerb zwischen den gesetzlichen Krankenkassen unter die Lupe zu nehmen. Die Ergebnisse sind in einem Sonderbericht zusammengefasst, den das BVA Anfang April 2018 veröffentlicht hat.

Laut BVA-Präsident Frank Plate habe sich der Wettbewerb zwar im Wesentlichen bewährt, indem zum Beispiel verkrustete Verwaltungsstrukturen aufgebrochen und die Versorgung der Versicherten sich verbessert worden seien. Es gebe aber auch Schattenseiten: „Wenn sich Krankenkassen nur noch als Unternehmen begreifen und ihre Marktbehauptung in den Vordergrund ihrer Bemühungen stellen, haben sie ihren Auftrag in der Solidargemeinschaft der gesetzlichen Krankenversicherung vergessen. Es geht nicht um den Erhalt einzelner Krankenkassen, sondern um eine gute und effiziente Versorgung der Versicherten“, so Plate. Die von ihnen angebotenen Satzungsleistungen, Wahltarife, Bonusprogramme, aber auch Selektivverträge führten oft nicht zu einer Verbesserung der Versorgung. „Diese scheinbaren Leistungen werden von Krankenkassen stattdessen immer wieder vor allem dazu genutzt, neue Mitglieder zu gewinnen oder aktuelle Mitglieder zu halten, ohne für sie einen echten Mehrwert zu schaffen.“ Insbesondere stünden die Kassen im verstärkten Wettbewerb um junge und gesunde Versicherte, während Alte und Kranke benachteiligt würden. Das Verstoße gegen das Solidaritätsprinzip.

Unter anderem geht aus dem Sonderbericht hervor, dass die Krankenkassen gerade in Leistungsbereichen wie Prävention und betriebliche Gesundheitsförderung, die vorwiegend junge und gesunde Versicherte anlocken, Leistungen wie vorzeitig gutgeschriebene Boni gerne „aus Kulanz“ gewähren. Auf der anderen Seite wiesen einige Krankenkassenarten im Bereich der Vorsorge und Rehabilitation Ablehnungsquoten von bis zu 19,4 Prozent und im Bereich der Hilfsmittel von bis zu 24,5 Prozent auf. Besonders betroffen von den Leistungsablehnungen waren nach Einschätzung von Patientenorganisationen ältere Personen, chronisch Kranke, bildungsbenachteiligte sowie schwerbehinderte Menschen. Weiter würden externe Unternehmen, die Neukunden für die Krankenkassen werben, gezielt auf junge Menschen angesetzt.

Der Vorsitzende der dbb bundesseniorenvertretung Wolfgang Speck kritisierte das Verhalten der Krankenkassen: „Auch unter Wettbewerbsbedingungen darf Gewinnmaximierung nicht das oberste Ziel der gesetzlichen Krankenkassen sein, schon gar nicht, wenn sie zu Lasten der schwächsten Mitglieder der Solidargemeinschaft geht.“ Kostendeckendes Wirtschaften im Sinne einer guten Gesundheitversorgung für alle Versicherten müsse das Grundprinzip bleiben, „ansonsten werden Alte und Kranke zu bloßen Kostenfaktoren degradiert.“ Außerdem produzierten nicht alle älteren Menschen hohe Gesundheitskosten: „Im Gegenteil sind viele Senioren heute gesünder und fitter als in früheren Zeiten“, so Speck.

 

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