Handlungsbedarf beim Schutz vor Asbest

BTB fordert konsequentes Minimierungsgebot für krebserzeugende Stoffe in Europa

Arbeitsschutz ist eine zentrale europäische Aufgabe und gehört zum Gemeinschaftsrecht der Europäischen Union (EU). Die EU legt verbindliche Mindeststandards fest, auch für den Umgang mit gefährlichen und krebserregenden Stoffen. Derzeit findet eine Konsultation zur Richtlinie „über den Schutz der Arbeitnehmer gegen Gefährdung durch Karzinogene oder Mutagene bei der Arbeit“ (2004/37/EG) im Hinblick auf die Aufnahme verbindlicher Arbeitsplatzgrenzwerte statt. Jan Georg Seidel, Bundesvorsitzender der Gewerkschaft Technik und Naturwissenschaft (BTB) im dbb, hat am 22. September 2017 die Überarbeitung der Richtlinie begrüßt und ein konsequentes Minimierungsgebot für den Umgang mit krebserzeugenden Stoffen gefordert.

Für die Beurteilung der Wirkung von karzinogenen oder mutagenen Stoffen seien Grenzwerte ein wichtiger Beitrag zur Reduzierung der Gesundheitsgefahren und um das Risiko einer möglichen Erkrankung besser erkennen zu können, erklärte Seidel. Ein Restrisiko bleibe allerding immer bestehen und es sei von Stoff zu Stoff unterschiedlich hoch, weshalb bei der Überarbeitung ein Schwerpunkt auf die Differenzierung krebserzeugender Stoffe hinsichtlich ihrer Wirkung zu legen sei. Beispielsweise hätten manche Stoffe keine Wirkschwelle, bei diesen reiche ein Grenzwert allein nicht aus. In diesen Fällen helfe nur ein konsequentes Minimierungsgebot mit zielgerichteten Maßnahmen. Diese könne aber nur Anwendung finden, wenn es zu den Stoffen valide Daten aus Studien gibt. Darüber hinaus müsse ein bewusster Umgang mit Stoffen gefördert werden, da das Verkennen von Risiken in der Vergangenheit oft die Hauptursache für viele vermeidbare Erkrankungen gewesen sei. „Die Gefährdungen, welche von krebserregenden Stoffen für die Beschäftigten ausgehen, müssen im Bewusstsein aller Akteure viel höher priorisiert werden“, forderte Seidel. Die schwerwiegenden Fehleinschätzungen zu Asbest habe tausenden Menschen das Leben gekostet. Am diesem Beispiel werde auch deutlich, dass ein Grenzwert allein nicht ausreiche: Eine Asbestfaser allein könne Asbestose auslösen und bedeute für Erkrankte eine nahezu hoffnungslose Situation.

Krebserkrankungen zählten nach wie vor zu den häufigsten arbeitsbedingten Todesursachen, schreibt der BTB in seiner Stellungnahme zum Konsultationspapier der europäischen Arbeitsschutzrichtlinie und weiter: „Dies muss den am Prozess Beteiligten ein Ansporn sein, nach weiteren und besseren Lösungen zu suchen.“ Seidel forderte, dass Erkenntnisse aus Forschung, Arbeitsschutzpraxis und Arbeitsmedizin viel stärkere Berücksichtigung finden und miteinander verknüpft werden müssten. „Für eine realistische Einschätzung der Gefährdung von Arbeitnehmern, die Gefahrenstoffen ausgesetzt sind, braucht es eine Differenzierung von Stoffen mit und ohne Wirkschwellen und darauf zielgerichtete Schutzmaßnahmen. Aber vor allem ein konsequentes Minimierungsgebot hinsichtlich der Freisetzung krebserzeugender Stoffe. Das im Konsultationspapier in Bezug genommene Datenmaterial ist veraltet“, kritisierte der BTB-Bundesvorsitzende. „Der Ansatz der Festlegung von Arbeitsplatzgrenzwerten muss überdacht werden.“ Seidel sprach sich dafür aus, die gebotene Transparenz für alle Akteure zu sichern und fordert die EU-Kommission dazu auf, eine wissenschaftlich begleitete Studie auszuloben, die aktuelle arbeitsmedizinische Erkenntnisse mit Erfahrungen aus der betrieblichen Praxis verknüpft, um so angemessene Vorgaben zum Schutz der Beschäftigten zu entwickeln.

Der BTB-Bundesvorsitzenden forderte, dass aus der zurückliegenden Fehleinschätzung im Fall „Asbest“ Konsequenzen für die Neuausrichtung der EU-Richtlinie gezogen werden. Viel zu spät sei die Verwendung von Asbest europaweit verboten worden. Gegenwärtig und zukünftig werde Asbest ein wichtiges Thema im Arbeitsschutz sein, da es bei Sanierungs- und Renovierungsarbeiten wieder freigesetzt werden kann. Meist werde die Gefahr nicht erkannt und Handwerker, die die Arbeiten ausführen, verkennen das Problem. Vor diesem Hintergrund müsse der Neuausrichtung der Richtlinie viel Aufmerksamkeit gewidmet werden.

 

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