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Corona-Infektion im Dienst: dbb fordert klare Regelungen für Beamtenbereich

„Auch für Beamtinnen und Beamte, die sich im Dienst mit Corona infizieren, brauchen wir bundesweit einheitliche Regelungen“, fordert der Zweite dbb Vorsitzende Friedhelm Schäfer.

Bei Beamtinnen und Beamten in bestimmten Positionen, etwa bei der Polizei, der Feuerwehr oder der Zollfahndung, wird vom Gesetz und vom Dienstherrn verlangt, dass sie in gewissem Umfang auch gesundheitliche Risiken auf sich nehmen. „Beamtinnen und Beamte sind nicht in die gesetzliche Unfallversicherung eingegliedert, sondern verfügen über eine eigenständige und spezifische Absicherung durch ihre Dienstherren im Rahmen der Dienstunfallfürsorge. Diese Dienstunfallfürsorge ist aber nicht für pandemische Infektionslagen wie durch das Corona-Virus geschaffen – und auch nicht dafür ausgestaltet. Deshalb müssen die Verfahren zur Feststellung der dienstlichen Ursache einer COVID-19-Infektion in Teilaspekten angepasst und praktikabel gemacht werden“, sagte der dbb Vize am 24. November 2021 im Rahmen des dbb forum ÖFFENTLICHER DIENST digital „Corona-Pandemie und Dienstunfall – was bedeutet das?“. Insbesondere für bestimmte dienstliche Tätigkeiten, die aufgrund von unvermeidbarem Personenkontakt mit einem hohen Infektionsrisiko mit dem Corona-Virus im Dienst verbunden sind, dringt der dbb auf verbindliche, bundesweit möglichst einheitliche Lösungen.

In einigen Bundesländern, wie zum Beispiel in Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern oder in Nordrhein-Westfalen, gebe es bereits sachgerechte Anpassungen an die besonderen Herausforderungen durch das Corona-Virus, machte Schäfer deutlich und forderte schnelle Empfehlungen für eine einheitliche Handhabung auf Bundes-, Landes und kommunaler Ebene: „Es kann nicht sein, dass für Beamtinnen und Beamte mit vergleichbaren Einsatzsituationen und Diensten in Norddeutschland andere Maßstäbe gelten als für Kolleginnen und Kollegen im Süden, Osten oder Westen des Landes. Das Corona-Virus unterscheidet nicht nach geografischen Gesichtspunkten. Vielmehr ist die abstrakte Gefahr für jeden Menschen in ähnlicher Lage gleich. Deshalb erwartet der dbb, dass so weitreichend wie möglich einheitlich und abgestimmt vorgegangen wird. Dies betrifft die Anforderungen und Verfahrensfragen sowie die Darlegungs- und Beweislasten.“

Für nicht zielführend hält Schäfer die vollständige Umkehr der Beweislast beim Dienstunfallrecht zu Lasten des Dienstherrn darüber, wann und wo genau sich eine Beamtin oder ein Beamter mit dem Corona-Virus infiziert hat: „Ein solches Verfahren ist mit der Dienstunfallfürsorge des Beamtenrechts systematisch und sachlich unvereinbar. Auch wird dies der Gefährlichkeit der Corona-Pandemie für alle Menschen – unabhängig vom beruflichen Status – nicht gleichermaßen gerecht.“

dbb Vize Schäfer diskutierte die Fragen rund um das Thema COVID-19-Erkrankung bei Beamten als Dienstunfall beim dbb forum ÖFFENTLICHER DIENST digital mit dem Referatsleiter Berufskrankheiten in der Hauptabteilung Versicherung und Leistungen bei der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung e.V. (DGUV), Fred-Dieter Zagrodnik, und Regierungsdirektor Eike Ziekow, der and der Hochschule des Bundes am Fachbereich Bundeswehrverwaltung lehrt.

Zagrodnik: Regeln der GUV reichen aus

„Bei den Versicherten der Gesetzlichen Unfallversicherung wird unterschieden zwischen Wegeunfall, Arbeitsunfall und Berufskrankheit. Der Unterschied zwischen einem Arbeitsunfall und einer Berufskrankheit bestimmt sich durch Dauer und Einwirkung. Als Berufskrankheit wird nur anerkannt, wenn die Erkrankung auf der Liste der Berufskrankheiten steht, die den Unfallversicherungs-Trägern ermöglicht, die Einzelfallprüfung durchzuführen“, erläuterte Fred-Dieter Zagrodnik von der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung e.V. (DGUV) die Regeln, nach denen bei nicht beamteten Beschäftigten verfahren wird.

Infektionsgeschehen seien anerkennungsfähig, wenn neben dem massenhaften Auftreten von Infektionen auch Krankheiten einträten. „Wenn aber – wie bei den Vorfällen in der fleischverarbeitenden Industrie zu Beginn der Corona-Pandemie – massenhaft Erkrankungen auftreten, wird dies nicht automatisch als Arbeitsunfall oder sogar als Berufskrankheit anerkannt.” Das liege daran, dass die fleischverarbeitende Industrie nicht zu den so genannten privilegierten Berufsgruppen zählt, die für die „Berufskrankheit 3101“, die durch Infektionen hervorgerufen wird, gehöre. „Die Berufskrankheit 3101 gilt für Beschäftigte im Gesundheitsdienst, Laboratorien, Laboren und vergleichbaren Tätigkeitsbereichen“, erläuterte der Referatsleiter Berufskrankheiten in der DGUV-Hauptabteilung Versicherung und Leistungen.

Mit Blick auf die Covid 19-Infektionen in der fleischverarbeitenden Industrie, die letztlich auch die dort herrschenden Arbeitsbedingungen begünstigt worden sei, räumte Zagrodnik ein, dass die Unfallversicherer in den vergangenen anderthalb Jahren weitere Bereiche im Fokus hatten, von denen sie annahmen, dass es dort zu hohen Covid-Ausbruchzahlen kommen wird, etwa bei den Kassiererinnen und Kassierern und beim Personal im öffentlichen Personennahverkehr: „Dort hat der Arbeitsschutz schnell reagiert und durch die Anordnung von Schutzvorrichtungen Schlimmeres verhindert.“

Die Anerkennung als Arbeitsunfall sei in der Unfallversicherung grundsätzlich möglich, wenn das Infektionsgeschehen erheblich ist. Im privilegierten Bereich der auf 3101 gelisteten Bereiche, sei auch eine Anerkennung als Berufskrankheit möglich: „Ausschlaggebend ist, dass die Infektion bei versicherter Tätigkeit erfolgt ist. Außerdem muss die Indexperson benannt werden können“, sagte Zagrodnik, der in der Gesetzlichen Unfallversicherung keinen Erweiterungsbedarf der Regelungen sieht. Für die Versicherten der GUV spiele es zudem keine Rolle, ob ihre erlittene Beeinträchtigung als Arbeitsunfall oder als Berufskrankheit anerkannt werde, da die gewährten Leistungen sich nicht unterscheiden.“ In unserer Rechtslage heißt es nur, dass es keine ernsthaften Zweifel an den Tatsachen geben dürfe.“ Mit Blick auf die andauernde Pandemie schätzt Zagrodnik jedoch, dass auch die GUV in diesem Winter noch reichlich Gelegenheit bekommen wird, ihre Regelwerke auf den Prüfstand zu stellen. „Die GUV wird von einem Gremium aus Medizinern und anderen Experten beraten, die jeweils schauen, ob bestimmte Einwirkungen im Beruf zu Erkrankungen führen können.“ Zagrondnik hält es für wahrscheinlich, dass auf der Liste der bisher 82 Berufskrankheiten demnächst auch Covid-19 vertreten ist: „Es würde mich sehr wundern, wenn Covid 19 auf lange Sicht weiter nur als allgemeine Infektionskrankheit eingestuft wird. Wir brauchen einen Startschuss in Form wissenschaftlicher Untersuchungen, die nahelegen, dass bestimmte Berufsgruppen stärker von Covid 19 bedroht sind.“

Ziekow: Beweislast liegt bei den Betroffenen

Als „Casus Knacksus” bezeichnete Regierungsdirekor Eike Ziekow von der Hochschule des Bundes die Nachweisbarkeit eines Dienstunfalls im Beamtenrecht, wie er in den Beamtengesetzen definiert sei. „Das Unfallereignis muss zeitlich und örtlich eingrenzbar sein. Wenn sich ein Polizist im Einsatz den Knöchel bricht, ist der Nachweis in aller Regel kein Problem. Bei einer Corona-Infektion ist das wesentlich schwieriger, weil die Kolleginnen und Kollege oft eben nicht eingrenzen können, ob sie sich zum Beispiel im Dienst auf einer bestimmten Demonstration angesteckt haben oder nicht.” Auf jeden Fall müsse der Nachweis erbracht werden, dass sich eine Corona-Infektion in Ausübung des Dienstes ereignet hat. Einerseits lasse sich das bei einer pandemischen Infektion nicht wirklich eingrenzen, andererseits liege die Beweispflicht immer bei der betroffenen Beamtin oder beim betroffenen Beamten.

Klarer sei der Fall zum Beispiel bei Teilnehmeden eines Lehrganges gewesen, in dessen Rahmen es zu einem Corona-Ausbruch gekommen sei. „Hier konnte der Nachweis einer Ansteckung in Ausübung des Dienstes letztlich geführt werden.” Ähnlich verhalte es sich auch bei Lehrkräften, wenn die Infektion zum Beispiel auf einer Klassenfahrt erfolgt sei.

Aufgrund der Komplexität des Beamtenrechtes in Sachen Dienstunfall erreichten die Experten zahlreiche Fragen aus dem Live-Chat zur Diskussion, beispielsweise die einer Justizwachtmeisterin, die sich im Dienst mit Corona infiziert hatte. Auch hier, so Ziekow, sollte die Bewiesführung kein Problem darstellen: „Wenn zum Beispiel Kolleginnen und Kollegen oder Strafgefangene im gleichen Zeitraum ebenfall infiziert waren, greift die 'normale´gesetzliche Regelung, weil die Infektion auf einen abgegrenzten Personenkreis zurückzuführen ist.” Das konkrete Vorgehen in einem solchen Fall sei die fristgerechte Anzeige des Dienstunfalls beim Dienstherrn, der Nachweis der Erkrankung und die ördliche und zeitliche Zuordnung der Infektion auf die JVA sowie der Nachweis einer Einwirkung von Außen in Form der Tröpfcheninfektion. „Problematisch bleibt aber der Zeitpunkt der Infektion aufgrund der Inkubationszeit. Auf die Stunde genau geht das natürlich nicht.”

Zudem könnten durchaus auch andere Berufe des öffentlichen Dienstes zu den besonders infektionsgefährdeten Gruppen gezählt werden, wenn sie zum Beispiel die Abstand-Hygiene-Alltagsmaske (AHA) Regeln einsatzbedingt nicht oder nur teilweise einhalten könnten, wie Feuerwehrleute oder Rettungssanitäter. „Sie kommen mit größeren unbekannten Personenkreisen in Kontakt und können keine Wunde auf Abstand behandeln oder Schaulustige auf Zuruf ordnen. Es gibt derzeit allerdings keine Regelung, nach der bestimmte Personenkreise eine Beweiserleichterung erhalten. Die Auslegung ist relativ eng, damit der bestehende gesetzliche Rahmen nicht ausgehebelt wird.” Zudem würde die Beweisführung schwierig, wenn Hygieneregeln fahrlässig missachtet worden seien, „aber der Dienstherr führt sicher kein Händewaschprotokoll.” Auf Dienstreisen sah Ziekow dagegen keine besondere Gefährdungslage gegenüber anderen Reisenden. Am Zielort griffen dann wieder die skizzierten Szenarien, sobald der Dienst dort aufgenommen worden sei.

 

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