Daseinsvorsorge: dbb Vize Silberbach warnt vor weiterer Deregulierung

„Die Daseinsvorsorge ist nicht verhandelbar. Jeder Staat muss weiterhin die Hoheit über seine Qualitätsstandards haben“, sagt Ulrich Silberbach, stellvertretender dbb Bundesvorsitzender und Chef der komba gewerkschaft am 25. August 2014 in Berlin. Hintergrund sind Verhandlungen einer Reihe von Staaten über ein Abkommen über den Handel mit Dienstleistungen (TISA).

Die Europäische Union verhandelt seit 2013 unter anderem mit Kanada, den USA und Mexiko, Chile und Kolumbien, Australien und Neuseeland, Japan, Südkorea, Singapur, Taiwan und Hongkong sowie Norwegen und der Schweiz. Diese Staatengruppe, der vor allem die alten Industriestaaten angehören, nennt sich „Sehr gute Freunde von Dienstleistungen“. Der stellvertretende dbb Bundesvorsitzende Ulrich Silberbach warnt vor den Folgen eines solchen Abkommens. „Eine weitere Liberalisierung von Dienstleistungen zielt vor allem auf Bereiche ab, die wir in Deutschland als Daseinsvorsorge bezeichnen. Das lehnen wir entschieden ab.“

Die politischen Ziele der EU, mehr Handel und dadurch mehr Wohlstand, seien grundsätzlich begrüßenswert, sagt der dbb Vize. „Der Dienstleistungssektor ist von enormer Bedeutung für Deutschland und Europa. Handelsbarrieren im kommerziellen Dienstleistungsbereich mit Augenmaß abzubauen, kann durchaus sinnvoll sein, solange das nicht Lohn- und Sozialdumping begünstigt.“

Silberbach sorgt sich aber um die negativen Folgen des TISA-Abkommens. Die Qualität der Arbeitsplätze besonders im öffentlichen Sektor stehe auf dem Spiel. „Wir haben ohnehin bereits viel zu wenig gute Beschäftigungsverhältnisse, viel zu viel Leiharbeit, befristete Verträge und schlechte Bezahlung. Das reicht bis in Kernbereiche des öffentlichen Dienstes“, so Silberbach. Die EU verfolge seit vielen Jahren das Ziel einer weiteren Liberalisierung auch öffentlicher Dienstleistungen. „Wir haben damals die so genannte Bolkestein-Richtlinie abgewehrt. Der Dienstleistungsrichtlinie, die schließlich verabschiedet wurde, konnten wir viele Zähne ziehen. Das gilt für das verhinderte Herkunftslandsprinzip wie auch für die weitgehende Ausnahme öffentlicher Dienstleistungen vom Anwendungsbereich. Wir wollen nicht, dass das durch Handelsabkommen revidiert wird.“

Sorgen bereitet Silberbach eine mögliche Bestimmung, die so genannte Ratchet-Klausel, die eine Umkehr von bereits durchgeführten Privatisierungen ausschließen würde. „In den vergangenen Jahren wurden viele Dienstleistungen wieder in die Verantwortung von Städten und Gemeinden zurückgeholt. Solche Rekommunalisierungen könnten durch TISA deutlich erschwert oder sogar unmöglich werden.“

Silberbach zöge es zudem vor, wenn Handelshemmnisse bei Dienstleistungen im Rahmen der Welthandelsorganisation (WTO) behandelt würden und nicht nur zwischen einzelnen Staaten und der Europäischen Union. „Die WTO sieht Mechanismen vor, die greifen, wenn es zu Verstößen kommt. Im Rahmen der WTO gibt es ein Mindestmaß an Rechtssicherheit und Überprüfbarkeit. Das alles wird durch TISA umgangen.“

Der dbb Vize appelliert an das Europäische Parlament, seiner Rolle als europäische Bürgervertretung gerecht zu werden. „Die Menschen wollen nicht, dass es zu weiteren Privatisierungen beispielsweise in der Trinkwasser- oder der Gesundheitsversorgung, bei sozialen Diensten oder in der Bildung kommt.“ Auch Arbeitnehmerrechte dürften nicht durch die Hintertür internationaler Abkommen ausgehebelt werden. „Arbeits- und Sozialrecht sind im Wesentlichen Angelegenheit der EU-Mitgliedstaaten, und es gilt die Tarifautonomie der Sozialpartner. TISA darf nichts davon in Frage stellen.“ Silberbach fordert einen offenen politischen Dialog. „Der ganze Verhandlungsprozess ist noch intransparenter als bei TTIP. Das geht so nicht. Wir brauchen Klarheit, worüber hier konkret gesprochen wird. Unsere Politiker sind uns Rechenschaft schuldig.“

 

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