Dauderstädt kritisiert Lohnentwicklung in Deutschland

„Es ist an der Zeit, die Wirtschaftspolitik in Europa besser zu koordinieren“, sagte Klaus Dauderstädt, Vorsitzender des Fachausschusses für Beschäftigung und Soziales (SOC) der unabhängigen europäischen Gewerkschaften (CESI) am 26. Mai in einem Gespräch mit dem europäischen Nachrichtenportal EurActiv.de. Deren Ausgestaltung bedürfe jedoch demokratischer Kontrolle und Legitimation durch das Europäische Parlament und die nationalen Parlamente. „Das darf kein Kreis für Kaminpolitik im Rat werden.“ Dass aber eine Wirtschaftsunion unabdingbar ist, wenn der Euro nicht scheitern soll, liege, so Dauderstädt, der stellvertretender Bundesvorsitzender des dbb beamtenbund und tarifunion und Chef der Gewerkschaft der Sozialversicherung (GdS) ist, auf der Hand.

„Dem Namen nach haben wir zwar eine Wirtschafts- und Währungsunion. Faktisch haben wir in Europa aber nur eine partielle Währungsunion. Makroökonomische Ungleichgewichte wie die sehr unterschiedliche Lohnentwicklung in der Eurozone müssen abgemildert und perspektivisch beseitigt werden. Sonst fährt die EU vor die Wand“, so Dauderstädt.

Der von Klaus Dauderstädt geführte Brüsseler Gewerkschaftsausschuss hat sich wiederholt mit der Lohnentwicklung in der EU befasst. Gerade in der Einkommensstruktur sieht Dauderstädt eines der Kernprobleme der gegenwärtigen Eurokrise. Deutschland sei das einzige Euroland, in dem die Reallöhne in den vergangenen 15 Jahren zurückgegangen sind. „Die negative Lohndrift in Deutschland muss beendet werden“, so Dauderstädt. Um aus der Schuldenkrise, die im Kern eine Vertrauenskrise sei, herauszukommen, könne nicht undifferenziert überall gespart werden. Sonst drohe einigen Staaten wirtschaftliche Stagnation, anderen ein Rückfall in die Rezession und den am stärksten von der Krise betroffenen gar eine Depression. Auf Deutschland bezogen mahnt Dauderstädt: „Es reicht nicht aus, dass wir uns auf unseren Export verlassen. Die hohen Exportüberschüsse sind den deutschen Arbeitnehmern seit Mitte der neunziger Jahre nicht ausreichend zugutegekommen“. Weder seien die Löhne übertariflich gestiegen, was in der EU die Normalität sei. Noch habe es in entsprechendem Maße Investitionen in qualitativ hochwertige deutsche Arbeitsplätze gegeben.

„Die deutsche Lohnzurückhaltung, die so oft gelobt worden ist, beeinträchtigt nicht nur die Binnennachfrage. Sie schwächt auch die Wettbewerbsfähigkeit unserer Partner in Europa und zwingt sie im Endeffekt, auf den deutschen Kurs des Reallohnrückgangs einzuschwenken. Wir haben einen Binnenmarkt mit 500 Millionen Bürgern. Das sind auch Konsumenten. Wir können uns nicht nur darauf verlassen, dass unsere Konjunktur von China, Indien und Brasilien angekurbelt wird“, so der SOC-Ausschussvorsitzende. Die Krise verunsichere die Menschen, erhöhe die Sparquoten. Angesichts der hohen öffentlichen Schuldenstände und der Demographie sei kurz- bis mittelfristig nicht mit Steuersenkungen oder geringeren Sozialabgaben zu rechnen, so Dauderstädt. Allein eine strengere Bankenkontrolle und eine wirksamere Finanzmarktregulierung, bei denen die EU im Übrigen noch nicht sonderlich weit gekommen sei, reichten nicht aus. „Ohne Wirtschaftswachstum wird es keinen Ausweg aus der Schuldenkrise geben. Also führt kein Weg an höheren Löhnen in Deutschland vorbei.“ Das sei aber kein rein nationales Problem. Vielmehr gelte für ganz Europa, dass Lohnkürzungen eine wirtschaftliche Abwärtsspirale massiv verstärken können.

 

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