dbb Chef führt Tarifverhandlungen mit Bund und Kommunen

Mit Ulrich Silberbach wird der dbb Bundesvorsitzende die im Februar 2018 beginnenden Tarifverhandlungen mit Bund und Kommunen führen. Bisher hat diese Aufgabe der dbb Fachvorstand Tarifpolitik übernommen.

„Wir bündeln die Kräfte und erhöhen die Geschlossenheit.“ In Interview mit dem dbb magazin erklären Silberbach und der dbb Fachvorstand Tarifpolitik Volker Geyer, warum besondere Zeiten besondere Maßnahmen erfordern, wie ein ganzheitlicher Ansatz zu einer optimalen Interessenvertretung führt und was Gewerkschaften von Sartre und Fußball lernen können. 

Interview zu Einkommensrunde 2018

„Wir haben uns viel vorgenommen!“

dbb magazin: In die Einkommensrunde 2018 mit Bund und Kommunen geht der dbb mit dem Bundesvorsitzenden Silberbach als Verhandlungsführer in die Potsdamer Verhandlungen und nicht, wie bisher, mit dem Fachvorstand Tarifpolitik. Warum dieser Traditionsbruch?

Silberbach: Zunächst mal: Der dbb ist kein Kulturverein zur Wahrung alter Traditionen. Unsere gewerkschaftliche Aufgabe ist die Gestaltung der Gegenwart mit Blick auf die Zukunft. Die neue Bundesleitung und speziell die drei hauptamtlichen Vertreter sind gewählt worden, um in einer schwierigen Zeit Politik zu gestalten und konkret die Interessen unserer Mitglieder zu vertreten. Die optimale Interessenvertretung ist unser Ansatz und nicht die Frage, ob der Silberbach besser verhandeln kann als der Geyer. Darum geht es nicht. Wir müssen uns nach den Aufgaben richten und nicht die Aufgaben nach unseren Befindlichkeiten. Und gemeinsam haben wir uns viel vorgenommen.

dbb magazin: Und das bedeutet konkret?

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Einkommensrunden

Obwohl der öffentliche Dienst in der Bevölkerung als Einheit wahrgenommen wird, gibt es hier viele verschieden Tarifverhandlungen. Die beiden größten Flächentarifverträge werden im Wechsel verhandelt: In einem Jahr der TVöD für die Tarifbeschäftigten von Bund und Kommunen, im darauffolgenden der TV-L für alle Länder - außer Hessen, das separat verhandelt. Die Ergebnisse sollen auf die jeweiligen Beamten übertragen werden; beim TVöD sind das die Bundesbeamten, beim TV-L die Landes- und Kommunalbeamten.

Geyer: Unser Ansatz ist es, die anstehenden Aufgaben ganzheitlicher anzugehen. Dahinter steht unsere Überlegung, dass die Integration innerhalb des dbb von 2012 zwar formal reibungslos vollzogen wurde, dass aber diese Integration in den Köpfen noch nicht überall Raum gegriffen hat. Von daher unterstütze ich Ulis Verhandlungsübernahme, zumal es unser Ziel ist, mehr als bisher, die Einkommensrunde ganzheitlich zu gestalten. Wir können es nicht länger damit gut sein lassen, dass wir am Ende der Potsdamer Verhandlungen als dbb rufen: „Die Einkommensrunde ist erst zu Ende, wenn das lineare Tarifergebnis 1:1 auf die Beamten übertragen wurde.“ Wir wissen doch alle, dass das immer seltener und immer unzuverlässiger geschieht. Auch deshalb ist unser neuer Ansatz richtig. Wir bündeln die Kräfte und erhöhen die Geschlossenheit.

Silberbach: In diesem Sinne wäre es auch falsch, zu sagen, Tarif ist jetzt Chefsache. Es ist jetzt, mehr als bisher, Teamarbeit. Eine Einkommensrunde ist viel mehr als die Verhandlungsführung während der drei Verhandlungsrunden. Weder Volker noch ich werden während der Einkommensrunde über Mangel an Arbeit zu klagen haben und richtig gut wird es nur werden, wenn es uns gelingt, den gesamten dbb in die Waagschale zu werfen.

dbb magazin: Was wird inhaltlich neu sein bei diesem Neuansatz?

Geyer: Vor 15 bis 20 Jahren war es doch unser Hauptproblem im Tarifbereich des dbb, Akzeptanz bei den Arbeitgebern zu finden und konkurrenzfähig zu agieren. Das Problem haben wir heute nicht mehr und das ist auch unseren Vorgängern zu verdanken. Heute ist vielmehr das Problem, dass das Tarifsystem als solches in Frage gestellt wird – auch und gerade im Bereich des öffentlichen Dienstes. Ich denke, die Stichworte Zwangstarifeinheit, Flucht aus dem Flächentarifvertrag oder Schuldenbremse reichen, um das Umfeld zu beschreiben, in dem wir versuchen müssen, Tarifpolitik zu gestalten und nicht nur zu verwalten.

Silberbach: Exakt! Dieser neuen Qualität müssen wir uns stellen und nach unserer gemeinsamen Auffassung soll hier ein Schwerpunkt von Volkers Arbeit liegen. Eine Einkommensrunde beginnt nicht mit der Auftaktverhandlung und sie endet nicht mit den Abschlussstatements in Potsdam. Mit der Politik, den Medien und natürlich auch den eigenen Mitgliedern müssen wir mehr kommunizieren als in früherer Zeit. Das ist gar keine Kritik an unseren Vorgängern, sondern die Konsequenz aus einem veränderten Umfeld für unsere Tarifverhandlungen. Wir brauchen mehr Mobilisierungsmacht und mehr Kampagnenfähigkeit. Das fängt mit den Einkommensrunden an, wird aber längst nicht nur dort gebraucht. Ich denke, dass uns Volker hier mit seinen Erfahrungen in einem umkämpften Bereich des ehemaligen öffentlichen Dienstes nach vorne bringen kann.

dbb magazin: Kollege Silberbach sprach eben davon, dass sich die neue Bundesleitung viel vorgenommen hat. Wird jetzt alles neu und besser in den Abläufen der Tarifverhandlungen?

Geyer: Jean-Paul Sartre hat einmal gesagt: „Bei einem Fußballspiel verkompliziert sich allerdings alles durch die Anwesenheit der gegnerischen Mannschaft“. Ohne selbst übermäßig fußballaffin zu sein, ist das aus meiner Sicht ein Bild, das sich auch gut auf unsere Arbeit übertragen lässt. Wir haben tatsächlich viel vor, was wir jedoch in der knappen Zeit von Ende November bis Ende Februar verändern können, ist offen. Wir denken und arbeiten langfristiger, um die Vertretungsmacht des dbb für alle seine Statusgruppen zu erhöhen. Dazu müssen wir, wie beim Fußball, zunächst unsere eigene Mannschaftsaufstellung überdenken und gegebenenfalls korrigieren.

Um es konkret aus meiner Sicht als Fachvorstand Tarifpolitik zu sagen: Ich will die nächsten fünf Jahre nutzen, um unsere Handlungsfähigkeit und unseren Einfluss zu erhöhen. Deshalb bin ich froh, dass Uli jetzt bei den Tarifverhandlungen mit im Boot ist oder, um im Bild zu bleiben, mit auf dem Platz steht und mitkämpft.

dbb magazin: „Vertretungsmacht stärken“ ist ein schönes Wort. Gibt es hier auch einen Plan?

Silberbach: Sie haben sicherlich Verständnis, dass wir an dieser Stelle nicht ins Detail gehen, aber vieles hat ganz einfach auch mit Arbeit und Struktur zu tun. Einfluss auf die Politik gewinnen wir nur, wenn wir unsere Präsenz in der Politik erhöhen – und zwar auf allen Ebenen. Und unser Gewicht erhöhen wir nur, wenn unsere stattliche Zahl von 1,4 Millionen Mitgliedern nicht als amorphe Masse wahrgenommen wird, sondern als ebenso vielfältige wie schlagkräftige Truppe. Bei Tarifverhandlungen genauso, wie bei den Problemen, die wir im Beamtenbereich haben, oder aber immer dann, wenn wir uns bei sozialpolitischen Themen einbringen wollen.

Geyer: Sie sprachen von einem Plan. Wir haben konkrete Vorstellungen und ich sehe es als wichtigen Teil meiner zukünftigen Arbeit an, aus diesen Vorstellungen gemeinsam mit den Fachgewerkschaften einen Plan zu entwickeln, unsere Kampagnenfähigkeit in allen Bereichen zu erhöhen.

dbb magazin: Die Absicht und das Ziel sind nun klarer; vielleicht macht es Sinn, wenn wir das Gespräch nach der Einkommensrunde und den daraus gewonnenen Erfahrungen fortsetzen?!

Geyer: Das ist eine gute Idee!

 

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