dbb jugend: Jugendarbeitslosigkeit in Europa nicht hinnehmen

Die jährlichen Kosten von Jugendarbeitslosigkeit in Europa belaufen sich auf 153 Milliarden Euro im Jahr. Zu diesem Schluss kommt eine aktuelle Studie der Europäischen Stiftung zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen (Eurofound). „Hinter dieser hohen Summe stehen eine Vielzahl junger Menschen, die keinen erfolgreichen Start in ihr Berufsleben schaffen. Das darf nicht einfach so hingenommen werden“, kommentierte Sandra Kothe, Bundesvorsitzende der dbb jugend die aktuelle Lage vieler junger Arbeitsloser in der Europäischen Union am 26. Oktober.

Europaweit liegt diese mittlerweile über 20 Prozent, in einzelnen Ländern sogar nah an 50 Prozent. „Es darf keine ‚verlorene Generation‘ entstehen“, so Kothe. Die in der Studie von Eurofound beschriebenen Erfahrungen mit erfolgreichen und weniger erfolgreichen Politikansätzen sei eine gute Diskussionsgrundlage. „Es gibt durchaus erfolgreiche Strategien, die Jugendarbeitslosigkeit zu verringern. Allerdings müssen sie auch konse-uent umgesetzt werden.“

Eurofound untersucht in der Studie vor allem, wie die sogenannte NEET-Gruppe verkleinert werden kann. Die Abkürzung NEET steht dabei für die englischen Begriffe von ‚nicht in Beschäftigung, Ausbildung oder Fortbildung‘. Neben EU-Programmen wie etwa ‚Jugend in Bewegung‘ sei vor allem jeder Mitgliedstaat für sich gefordert, erfolgreiche Ansätze gegen Jugendarbeitslosigkeit entsprechend seiner Traditionen umzusetzen und dabei auch bewährte Strategien anderer Länder mit zu berücksichtigen. „Die Mitgliedstaaten sollten vor allem auf eine gute Bildung setzen. Erfolgreiche Ausbildungssysteme, wie etwa das duale System, sollten viel stärker gefördert werden“, fordert die dbb jugend-Chefin Kothe. Ihr Stellvertreter, Michael Gadzalla, ergänzt: „Viele Länder mit einem solchen Ausbildungssystem stehen deutlich besser in der Frage der Jugendarbeitslosigkeit da, als andere, die diese doppelte Herangehensweise aus Praxis und Theorie im Bildungswesen nicht haben.“ Das wichtigste sei es deshalb, einen ausreichenden Praxisbezug herzustellen, der sich zum Beispiel in Deutschland in Form der dualen Ausbildung bewährt habe.

Deshalb müssten die Staaten auch bereit sein, in Bildung zu investieren, fordert Kothe: „Regierungen dürfen die Kosten für Bildung nicht rein auf der Ausgabenseite verbuchen, sie sind wichtige Investitionen in die Zukunft. Sparen und Enthaltsamkeit führen nicht automatisch zu einer sinkenden Staatsverschuldung. Im schlimmsten Falle steigen sowohl der Schuldenstand sowie die Arbeitslosenquote.“ Dies könne nicht das Ziel sein. Michael Gadzalla wies zudem auf die Verantwortung der Mitgliedstaaten für die junge Generation hin: „Wenn eine Regierung ausschließlich auf eine strenge Sparpolitik setzt, spart sie womöglich die Perspektiven für junge Menschen kaputt.“ Nicht zuletzt ein Land mit hohen Staatsschulden brauche einen starken und effizienten öffentlichen Dienst der in der Lage ist, die hoheitlichen und vom Bürger geforderten Aufgaben zu erfüllen. „Wer Bildung will, wer die öffentliche Ordnung sichern will, wer die Pflege älterer Menschen garantieren will, der muss investieren“, so Gadzalla. Der Staat müsse nach innen wie nach außen eine verlässliche Größe sein. All dies sichere auch gleichzeitig eine stabile Gesellschaft, die die wichtigste Voraussetzung für wirtschaftliches Wachstum und das Entstehen von Arbeitsplätzen sei.

„Welche Perspektive sollen junge arbeitslose Menschen haben? Ihre fehlende Einzahlung in das Rentensystem und die gleichzeitig unmögliche Beteiligung am wirtschaftlichen Konsum ist ein Verstoß gegen die Generationengerechtigkeit“, beklagt Sandra Kothe. Die Frage der Jugendarbeitslosigkeit müsste als gesamtgesellschaftliches Problem begriffen werden. Das Alterssicherungssystem stehe schon heute unter sehr großem Druck, diese Situation würde zudem noch verschärft, wenn die Nachwuchsgewinnung in vielen Ländern weiterhin vernachlässigt werde. „Wer keine jungen Menschen einstellt, kann auf Dauer kein hohes Fachkräfteniveau halten. Jungen Menschen muss die Möglichkeit gegeben werden, sich auszuprobieren, Erfahrungen zu sammeln und auch ihre eigenen Gestaltungsmöglichkeiten nutzen zu können.“

Ein möglicher Weg Perspektiven zu schaffen, sei, jungen Menschen aus wirtschaftlich schwachen EU-Staaten in wirtschaftlich stärkeren Ländern eine Ausbildung zu ermöglichen. Diese Idee skizzierten kürzlich zum Beispiel das Auswärtige Amt und das Bundesministerium für Arbeit bei einem Arbeitstreffen, an dem für die dbb jugend Steven Werner teilnahm. Sandra Kothe lobte diesen Ansatz, warnte aber auch gleichzeitig vor ungewollten Folgen. „Die Länder in Europa sollten nicht in einen Ausbil-dungswettbewerb auf Kosten der anderen Staaten eintreten. Wenn ein Land aus einem anderen auf Dauer zu viele qualifizierte, junge Menschen abwirbt, kommt es zu einem Ungleichgewicht. Das darf nicht passieren.“

Kothe wies auch darauf hin, dass ohne die Mitarbeit von Gewerkschaften kaum die richtigen Grundvoraussetzungen für einen offenen Arbeitsmarkt geschaffen werden könnten. Die Eurofound-Studie sieht den sozialen Dialog ebenfalls als einen der wichtigen Faktoren, Jugendarbeitslosigkeit zu verringern. Demnach könnte ‚eine starke Koordinierung zwischen Gewerkschaften, Arbeitgebern und dem Staat die [Anzahl junger Arbeitsloser] reduzieren‘. Kothe zeigte sich zufrieden über diese Einschät-zung. „Nach wie vor gibt es Regierungen in Europa, die den sozialen Dialog als überflüssig erachten und die Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften eingestellt haben. Das ist inakzeptabel. Deshalb freut es mich, dass die Studie den hohen gesellschaftlichen Nutzen des sozialen Dialogs unterstreicht.“

 

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