dbb forum ÖFFENTLICHER DIENST

„Heute für morgen planen - Personal gewinnen und halten“

Das Motto der jährlichen Fachtagung des dbb zu aktuellen Themen des öffentlichen Dienstes stand im Zeichen der Zukunftsfähigkeit der Verwaltung.  Experten aus Politik, Wissenschaft und Praxis beleuchteten und diskutierten am 26. Juni 2018 im dbb forum Berlin in Vorträgen und Foren verschiedenste Aspekte der „Personalgewinnung in Zeiten von Bewerber- und Fachkräftemangel“

„Der Staat braucht eine langfristig angelegte Personalplanung.“ Mit dieser Forderung eröffnete Friedhelm Schäfer, Zweiter dbb Vorsitzender und Fachvorstand Beamtenpolitik, das dbb forum ÖFFENTLICHER DIENST. Um die großen Herausforderungen, die „Megatrends“ demografischer Wandel, fortschreitende Digitalisierung und die zunehmende Flexibilisierung der Arbeitswelt erfolgreich annehmen und gestalten zu können, müsse der öffentliche Dienst als größter Arbeitgeber in Deutschland „strategischer, koordinierter und nachhaltiger“ agieren, um Personal zu gewinnen und zu binden. „Der Staatsdienst ist insbesondere bei jungen Leuten und hochqualifizierten Fachkräften kein Selbstläufer mehr“, gab Schäfer zu bedenken, „er steht im harten Wettbewerb mit zahlreichen anderen Arbeitgebern und muss, um hier erfolgreich agieren zu können, exakt wissen, welche Profile er wann in welcher Zahl benötigt und was er bereit ist, dafür zu investieren. Ein Denken im Zeitfenster von Legislaturperioden verbietet sich hier – der öffentliche Dienst muss dauerhaft verlässlich sein, und das ist er nur, wenn er personell gut aufgestellt ist.“

Da der Staat nicht jeden Betrag zahlen könne, seien beim Attraktivitätsangebot, das er Berufseinsteigern mache, besondere Anreize gefragt. Diese könnten vor allem auch im „weichen Bereich“ der Arbeitsbedingungen gesetzt werden, insbesondere durch flexible und mobile Arbeitsmodelle. „Nicht zuletzt kann eine langfristig angelegte Personalplanung auch dazu beitragen, den Fachkräftemangel durch passgenaue Qualifikationsangebote an die eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu entschärfen“, erläuterte Schäfer. Die Digitalisierung biete hier große Chancen und eröffne neue Spielräume.

In diesem Zusammenhang wies der dbb Vize auf die spezifischen Herausforderungen hin, die die Digitalisierung für die Personalführung mit sich bringen werde: „Nicht nur, weil Digitalisierung selbst ein Führungsthema ist, sondern weil Führung dort, wo der herkömmliche Arbeitsplatz im Büro nicht mehr das Maß der Dinge ist, neu konzipiert werden muss. Wie führe ich, wenn ich meine Mitarbeiter nur noch zeitweilig sehe? Wie steuere ich flexibles Arbeiten ohne die Arbeitsfähigkeit zu gefährden? Wie wirke ich möglichen Überlastungseffekten entgegen? Fragen, auf die wir Antworten finden müssen.“

Mathies: Geld allein ist nicht ausschlaggebend

Plastisch verdeutlichte Jürgen Mathies, Staatssekretär im Ministerium des Innern des Landes Nordrhein-Westfalen, das Ausmaß des in den kommenden Jahren drohenden Personalverlustes, zeichnete aber auch ein positives Bild von den Vorzügen der öffentlichen Hand: Ein Drittel aller Beschäftigten oder 1,2 Millionen in zehn und 2,5 Millionen in 20 Jahren werden den öffentlichen Dienst aus Altersgründen verlassen - das entspricht fast der Bevölkerung von Schleswig-Holstein. „Das ist ein gewaltiger Verlust von Erfahrung, Fachwissen und Souveränität“, konstatierte Mathies. Auf der anderen Seite liege aber auch eine gewaltige Chance darin, „wenn junge Beschäftigte dem öffentlichen Dienst eine Frischzellenkur verpassen.“

Um qualifizierte Nachwuchskräfte im öffentlichen Dienst zu binden, müsse er sich kritisch hinterfragen und sich stetig verbessern, „damit sie dort ähnlich gute oder sogar bessere Bedingungen vorfinden wie in der Wirtschaft“. Dafür seien nicht allein die Gehälter ausschlaggebend, unterstrich Mathies. Kein anderer Arbeitgeber halte ein so breit gefächertes Berufeangebot bereit, kaum ein anderer Arbeitgeber biete derart gute Möglichkeiten, Familie und Beruf zu vereinbaren, während die Arbeitsplätze und die Einkommen sicher seien. „Aktuelle Studien haben gezeigt, dass viele junge Menschen ab 35 Jahren kein Interesse mehr an Turbokarrieren und den damit verbundenen Einschränkungen in der Lebensqualität haben.“ Sie suchten vielmehr genau die Pluspunkte, die der öffentliche Dienst zu bieten habe: Chancengleichheit im beruflichen Fortkommen, Vielfalt der Arbeitsfelder und Entwicklungsmöglichkeiten sowie die Sinnhaftigkeit von Berufen, von denen das Gemeinwohl profitiert. Dass der öffentliche Dienst damit punkten könne, lasse sich auch anhand von bereits zu beobachtenden Bewegungen von Arbeitskräften aus der privaten Wirtschaft in den öffentlichen Dienst belegen: „Wenn IT-Fachkräfte zum Beispiel auch unter Einkommenseinbußen in den öffentlichen Dienst wechseln, weil die Rahmenbedingungen dort familienfreundlicher sind und weil sie eine größere berufliche Freiheit vorfinden, oder wenn auf 1 400 neue Stellen bei der Polizei NRW 11 000 Bewerber kommen, ist das ein positives Signal.“ Ausruhen dürfe sich der öffentliche Dienst auf seinen Lorbeeren aber nicht. Mathies´ Fazit: „Die Lage ist ernst, aber alles andere als Hoffnungslos. Eine positive Grundhaltung ist die beste Voraussetzung, um junge Zielgruppen zu erreichen.“

Ruge: Weg mit dem Ärmelschoner-Image

Der Beigeordnete des Deutschen Landkreistages, Dr. Kay Ruge, rückte in seinem Impulsvortrag Argumente und Strategien in den Fokus, die den Kommunen bei der Personalgewinnung von Nutzen sein könnten. „Die Generation Y setzt im Berufsleben auf Sicherheit, weiß die Vorzüge flexibler Arbeitszeit für die eigene Work-Life-Balance zu schätzen und ist nicht in jedem Fall gerne mobil.“ Letzteres sei für den kommunalen öffentlichen Dienst, dessen Haushaltssituation in vielen Regionen nach wie vor nicht rosig sei, ein nicht zu unterschätzender Vorteil: „Wir sind flächenhaft aufgestellt und bieten Bewerbern dort Karrieremöglichkeiten, wo sie zu Hause sind. Um als Arbeitgeber interessant zu bleiben, müsse aber auch das Thema Digitalisierung offensiv vorangetrieben werden. „Damit meine ich nicht nur in der Steuerverwaltung, sondern bis tief in den inneren Verwaltungsdienst hinein“, so Ruge. Zudem sollten mehr Anstrengungen unternommen werden, die Kompetenzen der vorhandenen Beschäftigten weiter zu entwickeln und ihre Arbeitsfähigkeit zu stärken. Die Vielfalt der Arbeitsmöglichkeiten im öffentlichen Dienst müsse – wie in der vom dbb initiierten Kampagne „Die Unverzichtbaren“, die Ruge lobend hervorhob, bekannter gemacht werden. Neue Berufsbilder, Ausbildungsgänge für den eigenen Bedarf sowie duale Studiengänge sollten schon sehr bald auf den Weg gebracht werden. „Wir müssen bei allem, was wir tun, deutlich kommunizieren, dass wir im öffentlichen Dienst alles andere sind, als Ärmelschoner-Menschen“, so das Fazit des Beigeordneten.

Karger: MINT-Kräfte sind rar

Die Herausforderungen für den Bund umriss Pia Karger in ihrem Impulsvortrag. Die Leiterin der Unterabteilung Zentrale Dienste 1 im Bundesministerium des Innern (BMI) nannte als Beispiel etwa die enorm gestiegenen Bedarfe an zusätzlichem Personal seit 2015: „Seit der Flüchtlingskrise müssen in unseren Behörden – insbesondere das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) – sehr viele Stellen sehr kurzfristig neu besetzt werden.“ Dazu gebe es weniger potentielle Bewerber, insbesondere in den so genannten MINT-Fächern Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik. Das betreffe das BMI direkt, so Karger weiter, „da wir mit der neuen Abteilung ‚Bau‘ auch in diesem Bereich neue Fachkräfte gewinnen müssen.“

Zudem könne in diesen Bereichen auch das Einkommen im öffentlichen Dienst nicht mit dem in der freien Wirtschaft konkurrieren. „Hier haben wir mit der Einkommensrunde 2018 für Bund und Kommunen schon wesentliche Verbesserungen erreicht“, so die Personalmanagerin, die nun vor allem die Behördenleiter in der Pflicht sieht: „Spielräume bei Lohnzulagen müssen konsequent genutzt werden“, gibt Karger zu bedenken.

Dennoch sieht auch Karger den kommenden Herausforderungen bei der Personalplanung positiv entgegen. Gerade das bereits von Mathies angesprochene Alleinstellungsmerkmal des öffentlichen Dienstes, die gesellschaftliche Relevanz der Berufe, sei laut aktuellen Umfragen ein Pfund bei Schülern und Studenten. „Im IT-Bereich müssen und können wir auch mit der Bedeutung unseres Tuns punkten“, betonte sie. „Wenn wir etwa biometrische Verfahren für die Sicherheitsarchitektur der Bundesrepublik entwerfen oder Datenbanken zur Beschleunigung von Asylverfahren erstellen, dann dienen wir der Gesellschaft – und das kommt auch beim Bewerber an.“

Heydemann: Beurteilung vor Ausschreibung

Über „Gerichtsfeste Personalentscheidungen“ referierte Dr. Christoph Heydemann, Vorsitzender Richter am Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg. Sein besonderes Augenmerk lag auf den dienstrechtlichen Aspekten bei der Personalauswahl von Beamtinnen, Richtern und Soldatinnen und hier insbesondere auf Beförderungen und dem zugrundliegenden Auswahlprozess.

Die Ausschreibung für eine Stelle habe in diesem Auswahlprozess grundsätzlich an Bedeutung verloren, so der Jurist. Sie beschreibe zwar das Anforderungsprofil und gebe damit die grundlegenden Maßstäbe für die Auswahl vor. Seit einigen Jahren gehe die Rechtsprechung aber davon aus, dass ein Beamter in seiner Laufbahn grundsätzlich auch für die folgenden Ämter befähigt sei, weshalb die Ausschreibung nur in solchen Fällen einschränkend sei, in denen dort genannte Anforderungen in rund sechs Monaten nicht erlernbar seien.

Absolut maßgeblich seien hingegen die dienstlichen Beurteilungen der Bewerberinnen und Bewerber. „Die Bestnote ist kaum zu umgehen. Damit haben die Beurteiler „den Hut auf“, so Heydemann. Entsprechend würden sich die meisten Rechtsstreitigkeiten heute auch nicht um den Auswahlprozess drehen, sondern um  vermeintliche Ungerechtigkeiten bei Beurteilungen. „Man muss aber klar sagen“, so Heydemann, „die Beurteilung ist immer ein Werturteil und damit der Beweiserhebung nicht zugänglich.“ Die Dienstherrn hätten dabei einen weiten Spielraum, und die Entwicklung sowie die „Vereinheitlichung der Beurteilungsmaßstäbe ist noch im Fluss“, um die Subjektivität der Beurteilung „einzudampfen“.

Bei der letztlichen Entscheidung müssten die Entscheider sich daher – ganz im Sinne des Artikels 33, Absatz 2 des Grundgesetzes, der Eignung, Befähigung und fachliche Leistung als oberste Kriterien bei der Besetzung von Ämtern bestimmt – an den aktuellsten Beurteilungen orientieren. Andere Kriterien, wie etwa das Alter, das Geschlecht – auch im Hinblick auf die Zusammensetzung des Personalkörpers insgesamt – dürften hingegen keine Rolle spielen. Lediglich bei exakt gleicher Beurteilung kämen andere Faktoren zum Tragen: Im zweiten Schritt nämlich die in der Ausschreibung genannten Anforderungen. Sollte es dann immer noch „Gleichstand“ zwischen den Bewerberinnen geben, griffen im dritten Schritt die älteren Beurteilungen. Erst dann, wenn immer noch zwei oder mehr Bewerber im Rennen seien, könne auf Kriterien wie das Geschlecht oder eine Behinderung zurückgegriffen werden.

Letztlich appellierte Heydemann, die komplexen Regelungen und Verfahren nicht weiter auszubauen. „Der Gesetzgeber und die Gerichte machen es den Personalabteilungen schon heute nicht einfach. Es kann aber nicht das Ziel sein, dass sich Verwaltungen nur noch mit sich selbst und internen Prozessen beschäftigten. Denn Beamtinnen und Beamte sollen natürlich in erster Linie der Gesellschaft dienen.“

Fachforum „Analytische Personalgewinnung“

Jutta Thomas, Referentin für strategisches Personalmanagement im Hessischen Ministerium der Finanzen, stellte das „DemografieLOTSEN-SYSTEM“ der hessischen Steuerverwaltung vor, mit dem eine strategisch angelegte demografievorsorgende Personalpolitik ermöglicht werden soll. Maßgeblich dabei sei eine Analyse der Altersstruktur der einzelnen Dienststellen, die regionale Bedingungen wie Bevölkerungsentwicklung und Bewerberlage ebenso berücksichtige wie dienststellenspezifische Besonderheiten. Das SAP-gestützte System ermögliche eine deutlich verbesserte Personalplanung insbesondere bei Anwärtereinstellungen. So könnten zum Beispiel die von demografischen Veränderungen am stärksten betroffenen Finanzämter gezielt entlastet werden.

Rainer Christian Beutel, Vorstand der Kommunalen Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsmanagement (KGSt), unterstrich in seinem Vortrag die Notwendigkeit einer strategischen Personalbedarfsplanung, insbesondere mit Blick auf die Herausforderungen der Digitalisierung und des Fachkräftemangels. Lösungen sah Beutel unter anderem in der Ausbildung über den aktuellen Bedarf hinaus, die Stärkung digitaler Kompetenzen sowie einer besseren Vernetzung von Ausbildung und Studium mit Blick auf „Mangelberufe“. Auch sollten die beruflichen Potenziale von Personengruppen, die bisher nicht im Fokus stünden, im Rahmen von Quereinstiegen und Zusatzqualifikationen gehoben werden.

Der Präsident des Bundesverwaltungsamtes (BVA) Christoph Verenkotte sah das eigene Amt, wo in den kommenden acht Jahren bis zu 30 Prozent der Beschäftigten ausscheiden werden, vom demografischen Wandel bedroht.  „500 weitere Planstellen für die gesamte Bundesverwaltung helfen uns nicht wirklich, das ist Symbolpolitik“, kritisierte Vehernkotte. Abseits politischer Versprechen müssten Behörden wieder stärker in der Selbstorganisation werden. Darüber hinaus würden weit mehr Mittel von Bund und Ländern für Digitalisierungs- und Fortbildungsprojekte benötigt als bisher angenommen, um zum Beispiel IT-Personal zu binden. „Sonst drohen Teilprivatisierungen und der Verlust der Steuerungsfähigkeit von Verwaltungen“, so Verenkotte.

Fachforum „Führung und Wandel“

Eine Lanze für die Förderung neuer Arbeits- und Kommunikationsformen brach Michael Möller, Leiter des Fachbereichs Allgemeine Verwaltung und Verwaltungssteuerung der Stadt Bergisch Gladbach. Seine Stadt setze darauf, die eigenen Mitarbeiter weiterzuentwicklen und dabei Belastungssituationen im Blick zu halten. Auch werde bereits früh reflektiert, ob sich junge Beschäftigte für Führungsaufgaben eignen.

Die Leiterin der Abteilung Personal- und Verwaltungsmanagement der Behörde der Senatorin für Finanzen der Freien Hansestadt Bremen, Dr. Anke Saebetzki, stellte verschiedene Modelle und Angebote der Freien Hansestadt zur Entwicklung von Führungskultur vor. Neben regelmäßigen Seminaren für Führungskräfte arbeite die Stadt auch mit besonderen Angeboten für junge Führungskräfte, etwa in Form des berufsbegleitenden Studienganges „Entscheidungsmanagement“ oder von Mentoring-Programmen. Auch auf das personelle Teilen von Führungsausgaben für Beschäftigte lege die Hansestadt ein Augenmerk. Darüber hinaus erarbeite das „V-Büro für Projekt- und Veränderungsmanagement“ mit seinem multiprofessionellen Team mit Querschnittskompetenz qualitative Standards für innovative Verwaltungsentwicklung.

Eigenthaler: Führen heißt kommunizieren

Auf die besonderen, sich aus der Altersstruktur in öffentlichen Dienst ergebenden Herausforderungen für die Personalentwicklung wies Thomas Eigenthaler in seinem Schlusswort hin: „Wir müssen uns natürlich auch in besonderer Weise um das bereits vorhandene Personal kümmern. Lebens- und Fortbildungsplanung, aber vor allem berufliche Perspektiven und reale Aufstiegschancen sind gerade für die dienstälteren Kolleginnen und Kollegen von zentraler Bedeutung“. Der dbb Vize und Bundesvorsitzende der Deutschen Steuergewerkschaft wies außerdem darauf hin, dass effiziente Personalplanung mehr sein müsse, als abstrakte Beurteilungs- und Beförderungssysteme. „Wir müssen dafür sorgen, dass das Gespräch mit den Beschäftigten zu einem zentralen Führungsinstrument wird. Ich bin sicher, dabei kämen zentrale Begriffe der Mitarbeitermotivation und -zufriedenheit schnell zur Sprache: Büro- und IT-Ausstattung, Perspektiven, Respekt und Wertschätzung. Ja, und auch Geld ist wichtig, aber eben nicht allein. Auch die weichen Faktoren und das Gefühl ‚ich gehe gerne zur Arbeit’ sind für viele von immer größerer Bedeutung.“

 

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