Gedenkstätten-Seminar in Berlin

In die Vergangenheit reisen, für die Zukunft lernen

„Berlin, Berlin, wir fahren nach Berlin.“ Dem einen oder anderen ging dieser Slogan vielleicht durch den Kopf, nachdem er seine positive Rückmeldung zur Anmeldung zum Gedenkstätten-Seminar der dbb jugend bekommen hatte – vom 30. November bis 2. Dezember 2018 ging es unter der Überschrift „1933 bis 1990 – Eine Reise durch die Geschichte Deutschlands“ in die Hauptstadt.

Am Freitag nach der Anfahrt, die für unsere aus ganz Deutschland kommenden Teilnehmer unterschiedlich lange dauerte, wurden wir erst einmal in einem Seminarraum nicht nur von Christoph, unserem Seminarleiter, sondern auch gleich von zwei Referenten der MBR begrüßt: die Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus, die auch Seminare zu diesem Thema anbietet. In unserem Fall lag der Schwerpunkt auf der Frage, wie man am besten auf Rechtspopulismus reagiert und auch antwortet. Es folgte ein unglaublich interessanter, lehrreicher und unterhaltsamer Nachmittag. Mithilfe des Aufzeigens der Taktiken von „diskussionsbereiten“ Rechten, Hintergründen und mit Rollenspielen, in denen jeder mal die Seite des „besorgten Bürgers“ einnehmen musste, wurden wir für den zukünftigen Umgang bestens vorbereitet.

Von aktuellen Themen am Freitag ging es am Samstag einen Schritt zurück in die Geschichte. Erstes Ziel: das ehemalige Stasi-Gefängnis in Berlin-Hohenschönhausen. Das Wetter passte zum Anlass: kalt, verregnet und grau, was die beklemmende und düstere Atmosphäre des Gefängnisses unterstrich. Geführt von einem Zeitzeugen, der selbst in der DDR als politischer Gefangener inhaftiert war, wurden uns die brutalen Methoden und wie sich das Gefängnis mit der politischen Lage der DDR mit veränderte, aufgezeigt. Drei Stunden reichten lange nicht aus, um alles zu erfahren, aber der bleibende Eindruck dieser Gedenkstätte wird uns in Zukunft immer begleiten.

Vertrauen missbraucht – die Methoden der Stasi

Nächster Stopp war die Gedenkstätte Normannenstraße. Dort ist in der ehemaligen Stasizentrale ein Stasi-Museum eingerichtet worden. Ein weiterer Zeitzeuge und ehemaliger Häftling schilderte uns seine Beweggründe, in den Westen zu wollen, erzählte von seiner Zeit in Haft und überließ uns seine DDR-Akten zum Durchlesen. Während seiner Führung durch das Museum zeigte er uns die einzelnen Räume, erinnerte an ihre frühere Funktion und erklärte auch die Spionagetechniken der Staatssicherheit. Vertraue niemals deinem Nachbarn! Oder einer Gießkanne, die zufällig im Raum steht und auf dich gerichtet ist. Oder dem Aktenkoffer, in den ein Loch für eine Kamera gebohrt wurde. Überhaupt, jeder Gegenstand war eigentlich verdächtig. Das System aus Gewalt und Drohung, Belohnung und Bevorzugung, das die Herrschenden in der DDR schufen, ist in dieser Gedenkstätte noch heute greifbar.

Sonntag war schon der letzte Tag unseres kurzen Gedenkstätten-Seminars. Zeitlich gesehen gingen wir aber noch einen Schritt zurück: Vom Rechtsextremismus heute über die DDR zum Nationalsozialismus, zu den Widerstandskämpfern im Dritten Reich. Widerstand – was heißt das überhaupt? Und war Stauffenberg, der ein Attentat auf Hitler verübte, nicht eigentlich ein Terrorist? Ein Staatsbeamter, der seine Dienstpflicht verletzte und gegen geltendes Recht verstieß? Und was soll das überhaupt heißen, was heute auch im Grundgesetz verankert ist in Artikel 20, Absatz 4 – das „Recht zum Widerstand“? Mit solchen, teilweise provozierenden Fragen wurden wir im Museum begrüßt und eingeladen, uns damit auseinander zu setzten. Wichtige Fragen, gerade für Beamte, die einen Amtseid ablegen und unter anderen Zeitumständen genauso gut unter Hitler Beamte hätten sein können. Nach diesem Denkanstoß bekamen wir eine Führung und teilten uns dann in Kleingruppen auf, um einzelne Widerstandsgruppen wie die Arbeiter, Studenten oder den Widerstand „normaler“ Bürger in Deutschland zu untersuchen und der Runde dann vorzustellen.

Mit diesem letzten Impuls wurden wir auch schon wieder in die Gegenwart geworfen. Das Seminar war offiziell beendet und die wirklich nette Gemeinschaft, die sich gebildet hatte, löste sich wieder auf. Ich für meinen Teil bin froh, dabei gewesen zu sein. Ich werde viel aus diesem Seminar mitnehmen können und neben spannenden Geschichten und wichtigen Denkanstößen auch noch Zuhause in Bayern erzählen können, endlich mal die berühmte Berliner Currywurst gegessen zu haben.

Hannah Lauerer

 

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