EuGH-Urteil zu Kettenverträgen:

Stöhr: befristete Verträge vermeiden

Mit Bedauern hat der zweite Vorsitzende des dbb und 1. Vorsitzende der dbb tarifunion Frank Stöhr ein am 26. Januar verkündetes Urteil des Europäischen Gerichtshofs aufgenommen das so genannte „Kettenverträge“ im öffentlichen Dienst auch weiter grundsätzlich für zulässig erklärt. „Der EuGH hat in einer wichtigen Abwägungsfrage die Rechte der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer geringer geschätzt, als kurzfristige Überlegungen der Arbeitgeber“, sagte Stöhr am Tag der Urteilsverkündung, in Berlin.

Stöhr weiter: „Kettenverträge sind nicht gut für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Unbefristete Verträge müssen auch weiterhin die Regel bleiben!"

Geklagt hatte eine nordrhein-westfälische Justizangestellte, die innerhalb von zehn Jahren 13 Arbeitsverträge mit ein und demselben öffentlichen Arbeitgeber zur Vertretung verschiedener Kollegen geschlossen hatte. Die Klägerin hatte geltend gemacht, dass ihr letzter Vertrag als unbefristet zu gelten habe, da kein sachlicher Grund für eine Befristung vorliege. In der Privatwirtschaft in Deutschland sind solcherlei Kettenverträge bereits nicht mehr zulässig. In seinem aktuellen Urteil (Az.: C-586/10) stellte der EuGH allerdings fest, „dass der vorübergehende Bedarf an Vertretungskräften – wie im deutschem Recht vorgesehen – grundsätzlich einen sachlichen Grund im Sinne des Unionsrechts darstellen kann, der sowohl die Befristung der mit den Vertretungskräften geschlossenen Verträge als auch deren Ver-längerung rechtfertigt.“

Ein Arbeitgeber könne, bedingt auch durch die Größe der betroffenen Verwaltung, wiederholt oder auch dauerhaft dazu gezwungen sein, Vertretungen einzustellen. Die Wiederholung des Vertretungsbedarfs allein sei nicht ausschlaggebend dafür, ob ein sachlicher Grund für Kettenverträge vorliege oder nicht. Die Mitgliedstaaten hätten in diesem Fall weiterhin einen gewissen Spielraum, der ihnen auch durch die in das Unionsrecht umgesetzte Rahmenvereinbarung der europäischen Sozialpartner zugestanden worden sei. „Die Zahl der befristeten Verträge im öffentlichen Dienst in Deutschland steigt seit Jahren stark an. Dies hat vielfach rein finanzielle Gründe", kritisiert Stöhr. So gebe es in Deutschland bereits 360.000 Zeitverträge im öffentlichen Dienst und der Trend zeige nach oben.

Nach Auffassung des Vorsitzenden sind befristete Verträge in einigen Fällen wie zum Beispiel im Forschungsbereich oder der Kinderbetreuung durchaus geboten. „Kettenverträge dürfen aber nicht die Normalarbeitsverhältnisse ablösen. Der öffentliche Dienst muss eine Vorbildfunktion wahrnehmen“, fordert Stöhr. Mit Blick auf das Urteil appelliert er an die öffentlichen Arbeitgeber, dies künftig nicht für eine weitere Ausweitung der befristeten Verträge zu nutzen. „Der öffentliche Arbeitgeber trägt eine große Verantwortung für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer."

 

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