Subsidiarität ist keine Einbahnstraße

Die EU-Kommission hat Ende April einen Richtlinienvorschlag veröffentlicht, mit dem sie die Mobilitätstrechte der Arbeitnehmer in der Europäischen Union stärken will. Hintergrund der Initiative sind Fehlauslegungen und die Nicht-Anwendung europäischen Rechts in zahlreichen Mitgliedstaaten. Der dbb Bundesvorsitzende Klaus Dauderstädt sieht hier auch die deutsche Verwaltung in der Verantwortung. „Es scheint noch zu viele Fälle zu geben, in denen die Wahrnehmung der Arbeitnehmerfreizügigkeit erschwert wird.“ Wenn geltendes EU-Recht nicht immer korrekt angewandt werde, sei dies allerdings nicht auf die Bediensteten in den einzelnen Behörden zurückzuführen. „Die Kolleginnen und Kollegen sind darauf angewiesen, dass ihre jeweiligen Dienstherren und der Gesetzgeber die Rahmenbedingungen für eine ordnungsgemäße Anwendung europäischen Rechts schaffen“, so der dbb Bundesvorsitzende.

Dauderstädt legt großen Wert darauf, dass die Verwaltungsmitarbeiter ebenso Rechtssicherheit haben wie die Bürger, mit deren Anliegen sie sich auseinandersetzen. „Es ist ja kein böser Wille, wenn Arbeitnehmer aus anderen EU-Staaten vor unzulässige Anforderungen gestellt oder unzureichend über ihre Freizügigkeitsrechte informiert werden.“ In den Verwaltungen werde gewissenhaft Recht angewandt. „Rechtssicherheit wird auch durch Rechtsklarheit bedingt. Dafür zu sorgen, dass Klarheit über geltendes EU-Recht besteht, ist eine politische Aufgabe. Das liegt in der Verantwortung des Gesetzgebers, der Dienstherren und der Behördenleitungen.“

„Gegebenenfalls müssen die nationalen Gesetzgeber Abhilfe schaffen, um Defizite in der Anwendung von EU-Recht zu beheben“, so Dauderstädt. Ein konkretes Beispiel für unsinnige Anforderungen sei beispielsweise die so genannte Freizügigkeitsbescheinigung, die nichtdeutsche EU-Bürger beim Ausländeramt einholen müssen, um in Deutschland arbeiten zu können. „Eigentlich sollte der EU-Pass inzwischen ausreichen, um nachzuweisen, dass man als Unionsbürger die Grundfreiheit der Arbeitnehmerfreizügigkeit genießt.“ Ausnahmen seien allenfalls bei den EU-Staaten denkbar, für die noch bis Ende 2013 Übergangsbestimmungen gelten, also Bulgarien und Rumänien. „Dass aber ein Schwede, ein Franzose oder ein Portugiese in Deutschland arbeiten darf, erschließt sich unmittelbar aus seiner Staatsangehörigkeit und der damit verbundenen Unionsbürgerschaft.“

Der dbb Bundesvorsitzende betonte, Subsidiarität sei keine Einbahnstraße. „Wenn wir uns dafür einsetzen, dass alle Ebenen in der europäischen Kompetenzordnung die ihnen zukommenden Zuständigkeiten behalten, dann müssen wir auch anerkennen, dass europäisches Recht sauber in nationales Recht umzusetzen ist oder, wenn es wie im Falle der Arbeitnehmerfreizügigkeit unmittelbar gilt, ohne Abstriche angewandt wird.“ Der dbb Chef appelliert sowohl für mehr Selbstbeschränkung des europäischen Gesetzgebers als auch für eine bessere Einhaltung des EU-Rechts durch die Mitgliedstaaten. „Natürlich müssen die Behörden auch entsprechend informiert und ausgestattet sein, um dem Anspruch einer besseren Rechtseinhaltung gerecht werden zu können.“

Zur Verwendung von Mitarbeitern aus anderen EU-Staaten in der deutschen Verwaltung sagte Dauderstädt: „Prinzipiell gilt: Für die Einstellung von EU-Bürgern in den öffentlichen Dienst müssen die gleichen Voraussetzungen gelten wie für deutsche Staatsangehörige. Davon auszunehmen sind nur die hoheitlichen Aufgaben in engerem Sinne. Prinzipiell kann aber jeder Unionsbürger Beamter in Deutschland werden. Das sieht das europäische Vertragsrecht ausdrücklich vor und wird auch seit vielen Jahren von uns, vom dbb, unterstützt.“ Es dürfe keine sachfremden Zugangsbeschränkungen geben. Ebensowenig dürften die Arbeitsbedingungen von denjenigen der Inländer abweichen. Das Europäische Jahr der Bürgerinnen und Bürger sei ein guter Anlass, eine bessere Einhaltung des europäischen Rechts einzufordern und auf die Vorteile der Freizügigkeit auch im öffentlichen Dienst hinzuweisen.

 

zurück