Gegen sexualisierte Gewalt an Frauen

Übergriffe sind keine Kavaliersdelikte

Auch Frauen im öffentlichen Dienst müssen besser vor sexualisierter Gewalt geschützt werden. Darauf haben die dbb frauen und die BBW Landesfrauenvertretung eindringlich verwiesen.

„Der Schutz vor sexualisierter Gewalt am Arbeitsplatz gelingt nur, wenn wir eine Kultur des Vertrauens in den Dienststellen aufbauen. Übergriffiges Verhaltung muss klar verurteilt und Betroffenen vorurteilsfrei begegnet werden“, stellte dbb frauen Chefin Milanie Kreutz am 23. September 2022 im Rahmen einer Podiumsdebatte mit Landtagsabgeordneten am zweiten Tag der Hautversammlung der dbb bundesfrauenvertretung in Stuttgart heraus.

Kreutz: Übergriffige Vorgesetzte zur Rechenschaft ziehen

Anlass zur Diskussion gab ein aktueller Fall sexueller Belästigung im Polizeidienst in Baden-Württemberg. Der ranghöchste Polizeibeamte des Landes wird der sexuellen Belästigung beschuldigt. Landesinnenminister Thomas Strobl musste sich dazu bereits vor dem Untersuchungsausschuss äußern. Auch gegen ihn wird ermittelt. „Was uns dieser brisante Fall vor Augen führt, ist vor allem eines: Sexuelle Belästigung ist alles andere als ein Kavaliersdelikt. Bei diesem Thema kann die Politik nicht einfach nur auf die Verantwortungshoheit der Justiz verweisen", erklärte Kreutz. „Es ist sehr wohl auch ein politisches Thema. Denn es liegt in der Hand der politischen Entscheidungsträgerinnen und -träger, welchen Stellenwert sie der Aufklärung sexueller Übergriffe im Dienst beimessen, sprich ob sie die notwendigen Ressourcen für eine zielgerichtete Aufarbeitung aufwenden oder ob sie entscheiden wegzusehen.“

Konkret sprach sich Kreutz für die Einrichtung von unabhängigen Anlaufstellen im dienstlichen Umfeld aus, die Gewaltopfern schnelle, niedrigschwellige und unbürokratische Hilfe bieten und dabei unterstützen, Täter konsequent zur Verantwortung zu ziehen. „Auch ein übergriffiger Vorgesetzter muss zur Rechenschaft gezogen werden können. Das funktioniert nur mit starken Verbündeten. Die Politik muss dafür sorgen, dass Personalräten und Gleichstellungsbeauftragten rechtswirksame Werkzeuge an die Hand gegeben werden, wie etwa ein anonymisiertes Klagerecht“, stellte Kreutz heraus.

Deuschle: Betroffene brauchen qualifizierte Hilfe

Heidi Deuschle, Landesfrauenvertreterin des BBW Beamtenbund Baden-Württemberg, unterstützt die Forderung nach unabhängigen Anlaufstellen, die sich um individuelle, qualifizierte Hilfe für Betroffene kümmern. „Diese Aufgabe gehört in die Hände von Spezialistinnen und Spezialisten und nicht ins Aufgabengebiete der Beauftragten für Chancengleichheit“, machte Deuschle deutlich. Diese benötigten vielmehr wirkungsvolle Sanktionsmöglichkeiten sowie eine verbindliche Regelung des Vorgehens in Dienstvereinbarungen, um sexuell übergriffiges Verhalten ahnden zu können, und Betroffene wie Helfende vor Repressalien zu schützen. „Eine Reform des Chancengleichheitsgesetzes diesbezüglich ist längst überfällig. Von der Landesregierung erwarten wir Handlungsbereitschaft“, so Deuschle. Darüber hinaus müsste sexualisierendem, herabwürdigendem und gewalttätigem Verhalten im Behördenalltag zwischen Kolleginnen und Kollegen, aber auch im Kontakt mit Bürgerinnen und Bürgern – etwa in Bürgerämtern, Steuerbehörden, Schulen oder Arbeitsagenturen – der Kampf angesagt werden. „Wir Beschäftigten haben einen respektvollen Umgang verdient. Die Dienstgebenden müssen ihrer Fürsorgepflicht nachkommen“, so Deuschle.

Ein Blick zurück – die Highlights der Sitzung der Hauptversammlung in Stuttgart am 22. und 23. September 2022

Hintergrund

Gemeinsam mit Gleichstellungsexpertinnen und Vertreterinnen der Landespolitik ging es bei der Podiumsdebatte „Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz – ein Kavaliersdelikt?“ darum, Lösungsansätze und Best Practice-Beispiele für einen besseren Schutz vor sexualisierter Gewalt im Behördenalltag zu diskutieren. Milanie Kreutz und Heidi Deuschle tauschten sich mit den Landtagsabgeordneten Alena Trauschel (FDP), Stefanie Seemann (Bündnis 90/Die Grünen), Dorothea Kliche-Behnke (SPD) und Isabell Huber (CDU) sowie mit der Zweiten Vorsitzenden des Landesfrauenrates Baden-Württemberg, Verena Hahn, aus.

 

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