Weselsky: Ratspräsidentschaft muss Weißbuch aufgreifen

„Das Weißbuch Verkehr darf nicht einfach zu den Akten gelegt werden. Europa darf dieses Zukunftsthema nicht verschlafen“, kritisierte Claus Weselsky, Bundesvorsitzender der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) die Ergebnisse des Rats für Verkehr, Telekommunikation und Energie. Die Europäischen Verkehrsminister konnten sich am 16. Juni in Brüssel auf keine weiteren Schlussfolgerungen zum aktuellen Weißbuch Verkehr einigen und auch die polnische Ratspräsidentschaft plant nicht, dieses Thema im zweiten Halbjahr wieder aufzugreifen. „Es kann nicht sein, dass zukunftsweisende Konzepte verfasst werden, die dann nicht mehr weiterverfolgt werden“, so Weselsky.

Zwar erklärte EU-Verkehrskommissar Siim Kallas, dass die einzelnen Reformvorschläge des Weißbuchs, das erst im März 2011 präsentiert worden war, weiterverfolgt würden, doch Weselsky zeigte sich skeptisch. „Im Weißbuch wird das Ziel formuliert, vor allem den Güterverkehr deutlich zu stärken. Die europäischen Schienennetze sind noch nicht so offen und leistungsfähig, wie sie sein müssten!“ Ohne ein umfassendes Gesamtkonzept werde es nur wenige Fortschritte geben. Deshalb dürfe die EU-Kommission die im Weißbuch formulierten Ziele nicht aus den Augen verlieren. Es gehe um ein umfassendes europäisches Verkehrskonzept, das ohne gemeinsame Anstrengung Zukunftsmusik bleibe, so Weselsky. „Ich hoffe, dass die polnische Ratspräsidentschaft ihre Meinung noch ändert und das Weißbuch wieder auf die nächste Ratsagenda setzt.“

Kritisch betrachtet Weselsky die Strategie der Bundesregierung, die bei der Frage weiterer Liberalisierungen im Schienenverkehr nun offenbar neue Wege beschreite. „Die Liberalisierung im deutschen Schienenverkehr ist im europäischen Vergleich schon sehr weit fortgeschritten.“ Eine weitere Entflechtung von Netz und Betrieb, wie in der Koalitionsvereinbarung festgeschrieben, werde aber offensichtlich nicht weiter verfolgt. So geht der Wettbewerb in Deutschland weiterhin auf Kosten des Netzes. Da Deutschland außerdem den Markt am Weitesten geöffnet habe und andere Länder nach wie vor ihren abschotteten, könne es zu Wettbewerbsverzerrungen kommen. „Insoweit ist die Marktöffnung in anderen europäischen Ländern zwingend erforderlich“, so der GDL-Chef.

Ob dabei die Beibehaltung dieses Integrationsmodells in Deutschland, also Netz und Betrieb in einer Hand zu behalten, und der Ansatz europaweit Regulierungsbehörden zu schaffen tatsächlich der richtige Weg für den Liberalisierungsprozess sei, müsse erst noch bewiesen werden, so Weselsky. Offensichtlich gebe es zwischen der Bundesregierung und der Europäischen Kommission ein Einverständnis, einen Weg der langsameren Öffnung zu gehen. „Da der deutsche Markt offen für Wettbewerber ist, muss jedoch das immer noch vorhandene Lohndumping im Eisenbahnverkehrsmarkt tarifpolitisch beendet werden. Es muss Schluss sein mit Gewinntransfer ins Ausland in einem mit deutschen Steuergeldern hoch subventionierten Markt“, fordert Weselsky.

 

 

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