Zusatzversorgung: Einigung auf Ergänzung des Übergangsrechts

Am 8. Juni 2017 haben sich die Tarifvertragsparteien der Tarifverträge ATV und ATV-K in Frankfurt auf Eckpunkte einer Überarbeitung des Übergangsrechts geeinigt.

Damit sind sie dem Auftrag des Bundesgerichtshofs (BGH) nachgekommen, der die bisherigen Regelungen zur Übertragung der Anwartschaften aus dem System der Gesamtversorgung in das Punktemodell mit zwei Urteilen vom 9. März 2016 (Az. IV ZR 9/15 und IV ZR 168/15) für unwirksam erklärt und eine zügige Nachbesserung angemahnt hatte.

Worum geht es?

Konkret geht es dabei um die Übertragung der Anwartschaften der so genannten rentenfernen Jahrgänge aus dem zum 31. Dezember 2000 geschlossenen Gesamtversorgungsmodell. Als rentenfern gelten dabei die Pflichtversicherten, die zum Stichtag 31. Dezember 2001 noch nicht das 55. Lebensjahr vollendet hatten. Der unverfallbare Anteil der Anwartschaften dieses Versichertenkreises war ursprünglich nach den Vorgaben des § 18 Abs. 2 Betriebsrentengesetz (BetrAVG) für jeden rentenfernen Pflichtversicherten errechnet und in Form von Versorgungspunkten als so genannte Startgutschrift in das Punktemodell überführt worden. Diese Berechnungsvorgaben waren vom BGH im Jahr 2007 erstmals verworfen worden, weil danach bestimmten Versichertengruppen mit längeren Vorbildungszeiten (beispielsweise Studium oder Ausbildung mit Meisterprüfung) außerhalb des öffentlichen Dienstes das Erreichen des höchstmöglichen Versorgungsatzes von vornherein nicht möglich gewesen wäre. Bei einem Anteilssatz gemäß § 18 Abs. 2 BetrAVG von 2,25 % pro Jahr der Pflichtversicherung kann der Höchstsatz von 100 % erst nach 44,44 Jahren erreicht werden. 

Alternative Berechnungsvorgabe nach § 2 BetrAVG

Die Tarifvertragsparteien hatten daraufhin im Jahr 2011 eine alternative Berechnungsvorgabe für die Ermittlung der Startgutschriften der rentenfernen Jahrgänge vereinbart. Demnach ist zusätzlich eine Berechnung nach § 2 BetrAVG durchzuführen. Dieses Modell setzt die erreichten Versicherungsjahre vom Beginn des Eintritts in die Pflichtversicherung bis zur Systemumstellung Ende 2001 ins Verhältnis zu der bis zum 65. Lebensjahr erreichbaren Versicherungszeit. Für den Vergleich der Anteilssätze wurde der Unverfallbarkeitsfaktor nach § 2 BetrAVG um 7,5 Prozentpunkte gekürzt. Auch diese Alternativberechnung kann die Startgutschriftenberechnung nach Auffassung des BGH nicht verbindlich regeln. In den Urteilen vom 9. März 2016 bemängelt das Gericht, dass immer noch ein großer Teil der rentenfernen Versicherten keine höheren Startgutschriften erreichen kann. 

Einigung auf eine zusätzliche Neuberechnung

Im Kern sieht die jetzt vereinbarte Neufassung vor, bei der Anwendung der Berechnungsvorgaben des § 18 Abs. 2 BetrAVG nicht mehr ausschließlich den dort vorgesehenen Anteilssatz von 2,25 % pro Jahr der Pflichtversicherung anzuwenden. Stattdessen wird unter Berücksichtigung des konkreten Eintrittsalters bei Beginn der Pflichtversicherung ein Anteilssatz im Rahmen von 2,25 %, bei einem jüngeren Eintrittsalter als 20 Jahre und sieben Monate, bis zum Höchstsatz von 2,5 % zugrunde gelegt. Wer also beispielsweise zum Beginn der Pflichtversicherung 21 Jahre alt war, für den greift ein Anteilssatz von 2,27 %. War derjenige zum maßgeblichen Zeitpunkt 24 Jahre alt, gilt ein Anteilssatz von 2,44 %. Ab einem Eintrittsalter von 25 Jahren greift der höchstmögliche Satz von 2,5 %. Nach den durchgeführten Berechnungen werden bei der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) im Abrechnungsverband (AV) West mehr als 50 % und im AV Ost mehr als 80 % der Versicherten eine höhere Startgutschrift erhalten bei einer durchschnittlichen Steigerung von 3,5 % im AV West bzw. 9,8 % im AV Ost gegenüber dem Vergleichsmodell von 2011. Für den Bereich der kommunalen Kassen ist nach Berechnungen der Arbeitsgemeinschaft kommunale und kirchliche Altersversorgung e.V. (AKA) für etwa 41 % der Versicherten von höheren Startgutschriften bei einer durchschnittlichen Steigerung von knapp 2,7 % auszugehen.

Wie geht es weiter?

In der Tarifeinigung wurde eine Erklärungsfrist bis zum 30. November 2017 vereinbart. Die Tarifvertragsparteien werden die Eckpunkte anschließend durch Änderungen der Tarifverträge ATV und ATV-K konkretisieren. Diese tarifvertraglichen Regelungen bilden dann die Vorgaben für die VBL und die kommunalen Zusatzversorgungseinrichtungen, die ihre Satzungen entsprechend anpassen müssen. Es kann davon ausgegangen werden, dass die dazu notwendigen Beschlüsse recht kurzfristig gefasst werden, damit die Umsetzung zügig erfolgen kann. Die Alternativberechnung aufgrund dieser Ergänzung wird für jeden Pflichtversicherten automatisch von der zuständigen Zusatzversorgungskasse durchgeführt. Die Neuberechnung erfolgt also unabhängig davon, ob gegen die ursprüngliche Startgutschriftmitteilung Widerspruch oder gar Klage erhoben worden war oder nicht. Sollte sich dadurch eine höhere Startgutschrift ergeben, werden die Versicherten in ihrer jährlichen Rentenauskunft informiert. Wer bereits Betriebsrente bezieht, erhält rückwirkend zum Rentenbeginn eine Nachzahlung hinsichtlich des Startgutschriftenanteils an seiner Rente.

Bewertung

Es ist zu begrüßen, dass die Tarifvertragsparteien ihrer Verantwortung zur Schaffung rechtssicherer Vorgaben im Bereich des Übergangsrechts nunmehr umgehend nachgekommen sind. Durch die Berücksichtigung des individuellen Einstiegszeitpunktes in die Pflichtversicherung bei der Höhe des Anteilssatzes wird der Kritik des BGH an der bisherigen Regelung Rechnung getragen. Auch werden viele Angehörige der rentenfernen Jahrgänge von einer Verbesserung ihrer Startgutschrift profitieren.

Andererseits konnten einige der im Laufe der diversen Klageverfahren gegen die Startgutschriften vorgebrachten Kritikpunkte nicht berücksichtigt werden. Dies betrifft unter anderem die Anwendung des Stichtags für die Frage der zugrunde zu legenden Steuerklasse bei der Berechnung des fiktiven Nettoarbeitsentgelts gemäß § 18 Abs. 2 BetrAVG oder die Nichtberücksichtigung der Versicherungsrentenberechnung aufgrund des BetrAVG in Höhe von 0,4 % des gesamtversorgungsfähigen Entgelts je Umlagejahr. Mit dem Hinweis auf die höchstrichterlichen Urteile, die die entsprechenden Vorgaben im Übergangsrecht bereits als rechtmäßig bewertet hatten, haben die Arbeitgeber dahingehende Änderungsvorschläge abgelehnt.

dbb Verhandlungsführerin Siglinde Hasse zur Tarifeinigung: „Mit dem heute gefundenen Kompromiss werden die Kritikpunkte der Rechtsprechung am bisherigen Übergangsrecht ausgeräumt. Nach den Urteilen des BGH in 2007 und 2016 ging es darum, zügig eine rechtssichere Lösung für die Startgutschriftenproblematik zu finden. Das ist durch eine konstruktive und sachorientierte Verhandlungsführung auf beiden Seiten gelungen. Wir konnten erreichen, dass die Verbesserungen bei der Startgutschrift auch rückwirkend gewährt werden, und schaffen damit einheitliches Recht für alle rentenfernen Versicherten.“

 

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