12. dbb Forum Personalvertretungsrecht

Auf dem Weg in die Digitalisierung

Die Anforderungen der Digitalisierung standen im Fokus des 12. Forum Personalvertretungsrecht des dbb am 8. und 9. April 2019 im dbb forum berlin. Mehr als 250 Personalrätinnen und Personalräte aus allen Bereichen des öffentlichen Dienstes waren der Einladung gefolgt, um unter dem Motto „Auf dem Weg in die Digitalisierung. Ihr Personalrat. Auf Ihrer Seite.“ über aktuelle Entwicklungen und Trends in der Personalratsarbeit zu diskutieren.

Klar im Fokus des Interesses standen digitalisierungsbedingte Aspekte wie neue Medien, neue Arbeitsformen, Datenschutz, Qualifizierung und neue Führungskultur. Der dbb macht mit dieser Veranstaltung deutlich – wir kümmern uns um die Kümmerer, die Personalräte.

Die Videos der Vorträge können Sie sich auf unserem YouTube-Kanal in dieser Playlist ansehen

Der öffentliche Dienst kann und muss Vorreiter für eine moderne, vielfältige, agile und digitale Arbeitswelt sein, forderte dbb Chef Ulrich Silberbach zum Auftakt des Forums. „Die Veränderungen, vor denen wir im öffentlichen Dienst stehen, sind gewaltig", machte Silberbach deutlich. Die demografische Entwicklung und der daraus resultierende Fachkräftemangel seien nicht neu, nun komme eine tiefgreifende digitale Transformation hinzu. „Der öffentliche Dienst kann und muss Vorreiter sein für eine moderne, vielfältige, agile und digitale Arbeitswelt. Nur so können wir die Menschen von uns überzeugen – sowohl als Dienstleister für Bürgerinnen und Bürger als auch als Deutschlands größter Arbeitgeber", unterstrich der dbb Bundesvorsitzende. „Die digitale Transformation des öffentlichen Dienstes wird die Arbeitswelt der Kolleginnen und Kollegen über Jahre prägen und entscheidend verändern. Den Personalvertretungen kommt dabei die Mammutaufgabe zu, an der Seite der Beschäftigten zu stehen und sie sicher durch diesen Prozess zu begleiten. Das kann nur gelingen, wenn ihnen die Sorgen genommen werden und wir ihnen die Chancen verdeutlichen, die mit der digitalen Transformation einhergehen", betonte Silberbach. „Von essentieller Bedeutung für das Gelingen der Digitalisierung ist deshalb ein partnerschaftliches Miteinander zwischen Dienststellenleiter und Personalrat, aber auch zwischen Personalrat und Beschäftigten."

Die Mitbestimmungsgremien müssten dabei nicht nur die Interessen der Kolleginnen und Kollegen im Auge behalten, sondern auch in ihren eigenen Arbeitsprozessen neue digitale Methoden und Instrumente wirkungsvoll zum Einsatz bringen, erläuterte Silberbach. Für eine zukunftsfähige Mitbestimmung sei zugleich eine Modernisierung der rechtlichen Rahmenbedingungen erforderlich. „Die Modernisierung des Bundespersonalvertretungsgesetzes muss jetzt zügig in Angriff genommen werden. Momentan sind wir weit von der aktuellen Verwaltungswirklichkeit entfernt, deswegen muss die Bundesregierung schnell handeln", mahnte der dbb Chef. „Für den dbb hat das Gelingen der digitalen Transformation im öffentlichen Dienst oberste Priorität. Dreh- und Angelpunkt wird dabei stets der Mensch sein – entlastet, unterstützt und gestärkt, aber keinesfalls beherrscht von den neuen Technologien."

Mayer: Gesetze gemeinsam gestalten

„Digitalisierung ist ein Prozess, bei dem Kontinuität eine wichtige Rolle spielt. Deshalb ist es richtig, dass sich der dbb im aktuellen Forum Personalvertretungsrecht nach zwei Jahren erneut mit dem Thema beschäftigt, um die Bedürfnisse der Beschäftigten eng im Blick zu halten“, zeigte sich der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (BMI), Stephan Meyer, in seinem Grußwort überzeugt. „Wie der dbb sind wir auch im BMI überzeugt, dass nicht die modernen Technologien, sondern die Beschäftigten der wichtigste Faktor für ein Gelingen der Digitalisierung sind.“ Viele Digitalisierungsvorhaben seien bedauerlicherweise stark Technik fixiert: „Und die Menschen werden dabei außen vor gelassen.“

Ausführlich informierte der Staatssekretär über die anstehende Novellierung des Bundespersonalvertretungsgesetzes. Dessen Eckpunkte würden noch in diesem Frühjahr ausgearbeitet. „Ohne vorzugreifen, kann ich schon jetzt sagen, dass wir jede Menge Detailarbeit vor uns haben werden, weil der dbb und die Gewerkschaften sehr nachhaltige Forderungen erhoben haben, wie sich das 1974 in Kraft gesetzte Gesetz in die Gegenwart überführen lässt.“ Auch die aktuellen Positionen zum Personalvertretungsrecht, die der dbb erst vor wenigen Wochen im BMI vorgelegt hat, seien Zeugnis eines gelebten Austauschprozesses und „nicht immer reibungsfrei“, wie Mayer einräumte „Die Situation lässt sich mit einer Ehe vergleichen, in der jetzt ein Ehevertrag geschlossen werden soll. Beiden Seiten müssen hier ihren Willen zum Kompromiss zeigen.“

Bei der Novellierung des rund 45 Jahre alten Personalvertretungsgesetzes, das seit Inkrafttreten nur im Detail Änderungen und Ergänzungen erfahren habe, folge das BMI vier großen thematischen Leitlinien: „Verbesserung der Lesbarkeit und größere Nutzerfreundlichkeit, Angleichung zum Betriebsverfassungsgesetz, wo diese sinnvoll erscheint, mehr Rechtssicherheit durch Berücksichtigung höchstrichterlicher Rechtsprechung sowie die bessere Einbindung der Personalvertreter in alle Digitalisierungsprozesse.“ Ziel der Gesetzesnovelle sei, einen Rechtsrahmen zu schaffen, der mindestens für die kommenden zehn Jahre stabil bleibt. „Deshalb ist es mir besonders wichtig, dass auch Interessenvertreter wie der dbb intensiv in den Gestaltungsprozess einbezogen werden.“

Schäfer: Kontakt bleibt wichtig

Auf die konkreten Herausforderungen der digitalen Transformation für die Mitbestimmung ging dbb Vize Friedhelm Schäfer ein: „Digitalisierung darf Beschäftigte, Dienststellenleiter, Personalrat und Gewerkschaften nicht entfremden – wir müssen in Kontakt bleiben. Gleichzeitig brauchen wir moderne rechtliche Rahmenbedingungen, die den vielfältigen Arbeitsmodellen, Lebensformen und individuellen Wünschen in der Verwaltungswirklichkeit Rechnung tragen." Alle Akteure des Personalvertretungsrechts müssten künftig mehr als bisher aufeinander zugehen, um die jeweiligen Bedürfnisse, Erfordernisse und Erkenntnisse in die Mitbestimmungsarbeit aufzunehmen. „Hierzu bedarf es einer intensiven kontinuierlichen Kommunikation, die selbstverständlich auch dann funktionieren muss, wenn sich Arbeitszeit und Arbeitsort der Beschäftigten zunehmend flexibilisieren", so Schäfer.

„Wenn man die Beschäftigten tatsächlich mitnehmen will", erklärte Schäfer weiter, „muss man ihnen mehr Beteiligung und Einflussnahme auf Veränderungen und Umgestaltungen ermöglichen, als es das Bundespersonalvertretungsgesetz bisher vorsieht – nämlich die bloße Teilnahme an der Wahl des Personalrats und die halbjährliche Personalversammlung. Es gilt, den Kontakt des Personalrats zu den von ihm vertretenen Beschäftigten zu wahren und sogar weiter auszubauen." Denkbar seien etwa Online-Mitarbeiterbefragungen oder Sprechstunden des Personalrats in geschützten Chatrooms oder Videokonferenzen. Weil „Schwarzes Brett" und Print-Informationen zunehmend zum „Auslaufmodell" würden, müsse auch das Zugangsrecht der Gewerkschaften zur Dienststelle in die Zeit gestellt, namentlich die elektronische Kontaktaufnahme der persönlichen hinzugefügt werden. „Hierfür brauchen wir neue rechtliche und technische Grundlagen", so Schäfer. Auch mehr Spielraum müsse ein modernes Mitbestimmungsrecht bieten: „Sowohl für den Abschluss von Dienstvereinbarungen in allen personellen, sozialen, organisatorischen oder sonstigen innerdienstlichen Angelegenheiten, als auch mit Blick auf den Beteiligungskatalog. Wir müssen viel mehr Themen aufnehmen, viel mehr mitbestimmen", unterstrich der dbb Vize und forderte auch ein umfassendes Initiativrecht für den Personalrat.

Ovey: Kommunikation bringt Nähe

Mit der Arbeit und Kommunikation in der mobilen Arbeitswelt befasste sich Unternehmenscoach Joey-David Ovey. Der langjährige Berater mit Schwerpunkt im öffentlichen Sektor verwies zunächst Begriffe wie „virtuelles Team“ in den Bereich der Irreführung: „Auch ein virtuelles Team besteht aus echten Menschen.“ Daher gebe es auch für Personalvertretungen gute Neuigkeiten: „Sie müssen nicht bei Null anfangen“, versicherte Ovey den Personalräten. Anhand eines Beispiels erläuterte er seinen Standpunkt. Er habe in einer Behörde ein Teammeeting organisiert, bei dem sich zwei Frauen aus verschiedenen Abteilungen getroffen hätten. „Da meinte die eine Kollegin ‚Ach Sie sind Frau Müller. Schön, Sie mal persönlich zu treffen“. Beide Kolleginnen hatten bereits mehrere Jahre beruflich miteinander zu tun, sich immer wieder Mails geschickt und telefoniert – ohne sich je persönlich zu treffen. Dabei sei Nähe heute keine Frage der Entfernung mehr. Wahrgenommene Nähe könne vielmehr über Häufigkeit und Tiefe von Kommunikation erreicht werden.

„Häufige, sachgebundene Kommunikation führt dazu, dass bei allen Beteiligten die Unsicherheiten untereinander reduziert werden“, betonte Ovey. „Mit der Zeit lernen wir unsere Gegenüber besser und besser kennen. Das reduziert die Angst, dass etwas nicht richtig angekommen sein könnte.“ Technik könne diese Prozesse unterstützen, wenn entsprechende Strukturen bestünden. „Bei dislozierter Arbeit ist Offenheit eine der Grundbedingungen“, erklärte er. „Wenn eine offene Kommunikation gepflegt wird, wenn Aufgaben, Abläufe und Rollen geklärt sind, ´dann gelingt das mobile Arbeiten.“

Stieler: Wieviel Vernetzung darf es sein?

Sylvia Stieler vom IMU Institut für Arbeitsorientierte Forschung und Beratung berichtete über die Auswirkungen der Digitalisierung auf Produktion, Verwaltung und Mitbestimmung, die sie in einem deutschen Technologiekonzern untersucht hat. Die Digitalisierung habe Prozesscharakter und könne deshalb nie als flächendeckend abgeschlossenes Projekt analysiert werden. Außerdem sei der Digitalisierungsgrad in verschiedenen Betriebsteilen sehr unterschiedlich. Produktion und Datenerfassung seien Vorreiter. In Sachen Datenschutz und Transparenz sei man erst in der Phase der Standardisierung und beim Thema Prozessvernetzung und künstliche Intelligenz sogar noch am ganz Anfang. In der Industrie stoße man bei der Digitalisierung auf die gleichen Grundsatzfragen wie in der öffentlichen Verwaltung: Wie viel Vernetzung und automatisierten Datenaustausch wollen wir überhaupt zulassen und wie verhindert man, dass der Rationalisierungsgewinn sich letztlich nur in Stellenabbau ausdrückt?

Zu den Folien von Sylvia Stieler (PDF)

Wedde: Keine Angst vor Arbeit 4.0!

Um die Gewerkschaftsarbeit in der digitalisierten Dienststelle ging es in im gleichnamigen Vortrag von Prof. Dr. Peter Wedde von der Frankfurt University of Applied Sciences. Er stellte zunächst fest, dass die Digitalisierung oder aber Schlagworte wie „Arbeit 4.0“ zwar derzeit wieder heiß diskutiert würden, aber: „Das Thema ist nicht neu, wir leben längst in einer digitalisierten Welt – und niemand muss davor Angst haben.“ Das gelte auch für die Gewerkschaften und die Betriebs- und Personalräte.

In vielen Dienststellen und Unternehmen veränderten sich die Bedingungen, etwa durch mobiles Arbeiten, Verlagerung von Arbeitsabläufen in den virtuellen Raum oder auch durch neue räumliche Arbeitsgestaltung. Das erschwere für die Beschäftigtenvertretungen den Zugang zu den Kolleginnen und Kollegen und die so wichtige direkte Kommunikation. Deshalb müssten die Zugangsrechte, die grundsätzlich sehr weitgehend seien, weiterentwickelt und zur Not neu erstritten werden. „Wer die Macht über die Informationen hat, der hat die Macht in den Betrieben und Unternehmen“, machte Wedde deutlich. Das Informationsmonopol des Arbeitgebers beziehungsweise Dienstherrn gelte es zu brechen. Eine konsequente Nutzung der neuen Kommunikationsmedien sei dafür für Gewerkschaften sowie Betriebs- und Personalräte unerlässlich.

Auch der Aufbau eigener interaktiver und exklusiver Kommunikationsstrukturen sei denkbar. Wichtig sei allerdings: „Auch Gewerkschaften müssen den Datenschutz beachten!“ Dieser Selbstverständlichkeit werde von vielen Praktikern gerade im Hinblick auf die jüngsten Verschärfungen der Richtlinien und Gesetze immer noch zu wenig Bedeutung beigemessen.

Abseits dieser berechtigten Mahnung sprach Wedde den Gästen der Tagung in erste Linie Mut zu: Es gelte, auch in der neuen Arbeitswelt im Sinne der Beschäftigten Präsenz zu zeigen. „Nutzen Sie die technischen Möglichkeiten für Ihre Sache! Probieren Sie alles – auch, wenn mal was schiefgeht!“

Fachforen: Praktisches für Praktiker

Zum Auftakt des zweiten Forum-Tags wurden die Ergebnisse aus den drei Fachforen vorgestellt, in denen man am Nachmittag des Vortags rund um das Thema Digitalisierung diskutiert hatte. „Die Menschen mögen, was ihre Arbeit und ihren Alltag erleichtert, was ihn schöner, netter, lebenswerter macht“, brachte Klaus Pesch von der Landesfinanzschule Nordrhein-Westfalen, Dozent für Personalvertretungsrecht, die Botschaft aus dem Forum „Sitzungs- und Gremienpflicht versus Arbeitsteilung und Agilität“ auf den Punkt. Übertragen auf die Digitalisierung bedeute dies, dass die Beschäftigten durchaus neugierig auf die technischen Möglichkeiten der Zukunft und innovationsfreudig seien, gleiches gelte für die Personalratsarbeit. Eine klare Grenze, so Pesch, gebe es für die Technik indes bei der Willensbildung und Beschlussfassung: „Wir brauchen keine Beschlussautomaten, sondern ganzheitliche Kommunikation und Beschleunigungseffekte durch die Digitalisierung zu Beginn des Entscheidungsprozesses in den Mitbestimmungsgremien.“

Der Nachwuchs hatte das Wort beim Forum „Digital Natives in die Personalvertretungen! Wie können wir junge Menschen für die Personalrats- und Gewerkschaftsarbeit begeistern?“ Janna Gall und Philipp Mierzwa, beide aktive Mitglieder der Deutschen Verwaltungsgewerkschaft (DVG) und dbb jugend, brachten Antworten auf diese aktuelle Gretchenfrage der Beschäftigtenvertretungen mit: Haltung und Aufrichtigkeit seien zentrale Maßstäbe, die die anspruchsvollen, selbstbewussten, lernbereiten und flexiblen jungen Menschen bei ihren Überlegungen in punkto gewerkschaftliches Engagement und Mitbestimmung anlegten. Der Nachwuchs spüre genau, wenn ihn Ältergediente „nur“ als Quotenmaniküre missbrauche oder an echter Mitarbeit und konkretem Input interessiert sei. „Die jungen Menschen wollen mitgestalten und dabei sein“, betonte Janna Gall. Philipp Mierzwa, stellvertretender Vorsitzender der dbb jugend, zeigte sich überzeugt: „Wir sind nur dann wirklich stark, wenn wir auf alle setzen. Dann können wir Großes erreichen.“

Zur Zusammenfassung des Forums "Digital Natives in die Personalvertretungen! Wie können wir junge Menschen für die Personalrats- und Gewerkschaftsarbeit begeistern?" (PDF)

In den direkten Praxisbezug ging das Forum „Arbeitszeit – Mobilität – Entgrenzung – Digitalisierung als Chance und Risiko“. Anhand der Dienstvereinbarungen des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend sprach man über die dort mittlerweile grundlegend flexibilisierten Arbeitszeiten und Arbeitsorte, über einen Wandel in der Ergebnis- und Beurteilungskultur. „Mittlerweile spielt es glücklicherweise keine Rolle mehr, von wo aus die Kolleginnen und Kollegen arbeiten“, berichtete Nicole Zündorf-Hinte, Mitglied des Personalrats im BMFSFJ, die das Forum gemeinsam mit Milanie Hengst, Vorsitzende der dbb Grundsatzkommission für Mitbestimmung, moderiert hatte.

Entscheidend seien eine sehr gute Kommunikation im jeweiligen Team sowie Transparenz und eine moderne Führungskultur. Für das Geld, das die Einrichtung eines mobilen Arbeitens ganz zweifellos koste, bekomme der Dienstherr beziehungsweise der Arbeitgeber letztlich einen „großen return on invest“: Eine Dividende in Gestalt hoher Motivation und Mitarbeiterzufriedenheit, die insgesamt zu besten Arbeitsergebnissen führen. Für Hengst ist dabei auch ein Mentalitätswechsel der Führungskräfte, die Leistung an Ergebnissen und nicht mehr an Präsenz zu messen, Entscheidend für die Akzeptanz mobiler Arbeit bei Beschäftigten und Dienststellenleitung: „Ein in der Praxis gelebtes und funktionierendes Regelwerk für mobiles Arbeiten leistet einen signifikanten Beitrag zur Beschäftigtenbindung und -gewinnung“, so Hengst.

Schaar: Personalrat ist natürlicher Datenschützer

Mit dem „vernetzten“ Personalrat, der Mitbestimmung in Zeiten der neuen Datenschutzgrundverordnung (DSGVO), befasste sich Peter Schaar in seinem Impulsvortrag. „Ist der Personalrat Datennutzer oder Datenschützer?“, fragte der ehemalige Bundesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit, der heute Vorsitzender der Europäischen Akademie für Informationsfreiheit und Datenschutz ist. „Der Personalrat ist der natürliche Datenschützer“, machte Schaar deutlich. Das Gremium setze sich für den Beschäftigten-Datenschutz ein, wirke bei der datenschutzfreundlichen Gestaltung von Situationen und Verfahren in der Behörde mit und handle Dienstvereinbarungen zum Datenschutz aus. Wie wichtig das Datenschutz-Engagement der Mitbestimmungsgremien in Zeiten der Digitalisierung ist, zeigte Schaar anhand der aktuellen technischen Trends. Zwar erleichterten die zunehmende Elektrifizierung und Digitalisierung von Arbeit das Arbeiten an sich, die Beschäftigten hätten viel flexiblere Möglichkeiten mit Blick auf Arbeitszeit und Arbeitsort. Gleichzeitig jedoch böten die neuen technischen Möglichkeiten zumindest die Option auf weitreichende Kontrolle: Videoüberwachung, Bewegungs- und Leistungskontrolle, Überwachung auch des Privatlebens über die Sozialen Netzwerke bis hin zu Beschäftigten-Big Data und Social Scoring – „all das sind die Kehrseiten der Medaille“, betonte Schaar, und hier seien insbesondere Personal- und Betriebsräte als Datenschützer gefragter denn je. Eine intensive Diskussion entspann sich im Anschluss an den Vortrag um die Frage, ob nach den neuen Bestimmungen der DSGVO der Personalrat oder Betriebsrat selbst datenschutzrechtlich verantwortlich Handelnder ist und einen eigenen Datenschutzbeauftragten ernennen müsse oder – wie bisher – der jeweils behördlich verantwortliche Datenschützer weiterhin für alle Belange, auch die des Personal- und Betriebsrats zuständig ist.

Die Rechtsprechung hat sich mit dieser Frage noch nicht befasst, wohl aber der Bundes-Datenschutzbeauftragte, der dem Vernehmen nach weiterhin alle Verantwortlichkeit beim behördlich Verantwortlichen für den Datenschutz sieht. Eine „unbefriedigende“ Regelung, fand Experte Schaar, bedeute dies doch, dass die Mitbestimmungsgremien und ihre Daten künftig zumindest theoretisch einer Kontrolle durch den Dienstherrn oder Arbeitgeber unterlägen. Hier wäre eine gerichtliche Klärung wünschenswert, so Schaar.

Wendel und Lessing: IT als Querschnittsdisziplin

Um das Thema „Qualifizierung – der Schlüssel zu einer sozialverträglichen Digitalisierung“ ging es in dem Doppel-Vortrag von Katja Lessing und Holger Wendel. Wendel leitet seit 2004 das Aus- und Fortbildungszentrum für den öffentlichen Dienst (AFZ) in Bremen und ist darüber hinaus Direktor der Verwaltungsschule der Freien Hansestadt Bremen. An dieser Verwaltungsschule lehrt auch Lessing seit 2007 mit dem Schwerpunkt Personalrecht und Personalmanagement. Beide untersuchen seit 2017 die „Qualifizierung 4.0“: Welche veränderten beruflichen Anforderungen ergeben sich durch die Digitalisierung und welche neuen Kompetenzen für Beschäftigte lassen sich daraus ableiten? Wie kann man diese Kompetenzen durch Aus- und Weiterbildung erwerben?

Auch, wenn manche Studien ein etwas zu düsteres Bild von der Zukunft zeichnen, in der angeblich knapp die Hälfte aller heutigen Jobs durch Automatisierung wegfallen, seien gravierende Veränderungen in der Arbeitswelt nach Auffassung der Wissenschaftler nicht zu leugnen. „Der oft getätigte Vergleich der Digitalisierung mit der Industriellen Revolution greift darüber hinaus bei der Bildung“, betonte Wendel. Während die industrielle Revolution die allgemeine Schulpflicht und eine daraus hervorgehende Grundbildung für alle nach sich gezogen habe, sei nun eine höherwertige Bildung für das Gros der Gesellschaft gefragt, mit einem besonderen Fokus auf IT- und Medienkompetenz.

Auf vier Kernkompetenzen komme es nach Lessing und Wendel besonders an: Kreativität, kritisches Denken, Kommunikation und kooperatives Zusammenarbeiten: „Wie Sie erkennen können, haben diese vier K’s nichts mit Programmierung an sich zu tun“, betonte Lessing. Es sei ein Irrglaube, dass künftig jeder Beschäftigte eine ausgewiesene IT-Fachkraft sein müsse. „Jedoch wird IT zur Querschnittsdisziplin, die in alle Berufsfelder Einzug hält.“

Engel: Digitalisierung treibt Verwaltungen vor sich her

„Ich glaube, dass sowohl Dienststellen als auch Personalvertreter ihre Haltung zur Digitalisierung noch finden müssen. Personalrat 4.0 bedeutet: Informieren, Mitmachen, Beraten und Beschlussfassen. Personalvertretung und Verwaltungsführung sind gefordert, gemeinsam ein Zielbild der Digitalisierung zu entwickeln und zu erproben.“ Mit dieser klaren Aufforderung zur Zusammenarbeit von Arbeitgeber und Arbeitnehmervertretung leitete Prof. Dr. Andreas Engel, Leiter des Amtes für Informationsverarbeitung der Stadt Köln, seinen Fachvortrag „Fordert die Digitalisierung ein neues Miteinander? Führung vs. Partizipation, Hierarchien, Kooperation und Kollaboration“ ein – und verschaffte den Teilnehmerinnen und Teilnehmern des Forums einen Eindruck, wie konkret die Stadt Köln bei Entwicklung und Erprobung ihres Digitalisierungs-Zielbildes zu Werke geht.

„Am meisten stört mich, dass wir bei der Digitalisierung Getriebene sind“, sagte Engel, der sich nach eigenen Angaben weder für einen Digitalisierungsoptimisten noch für einen Pessimisten hält. Als Hauptantreiber der Digitalisierung identifizierte Engel neben den Vorgaben des Gesetzes zur Förderung der elektronischen Verwaltung, die den öffentlichen Dienst zwinge, bis 2020 alle Dienstleistungen auch online anzubieten, das Verhalten der IT-Branche, deren Vertreter den öffentlichen Dienst als solventen Kunden massiv umwerben, und die Erwartungshaltung der Beschäftigten: „Hier denke ich nicht nur an die junge Generation der sogenannten `digital natives`, sondern an auch an alle anderen, die sich den geänderten Zeiten anpassen und dazu vielleicht Macht und Ansehen erwerben wollen. Vor dem Hintergrund dieser vielfältigen Interessenskonstellation und aus dem Wissen heraus, dass die Digitalisierung die Arbeitswelt bereits verändert hat, haben wir in Köln entschieden, den Prozess selbst zu steuern.“

Den Anstoß bildete die 2017 eingeleitete kommunale Verwaltungsreform, in deren Verlauf sich aus mehr als 2 700 Anregungen der Beschäftigten das neue Zielbild der Stadt Köln als professionelle Dienstleisterin, attraktive Arbeitgeberin und geschätzte Partnerin für Politik und Wirtschaft verdichtete und den Weg für die Mitte Januar 2018 geschlossene „Rahmen-Dienstvereinbarung zur Digitalisierung“ ebnete. „Diese Dienstvereinbarung ist ein starkes Signal für das erfolgreiche Zusammenwirken von Verwaltungsführung und Personalvertretung“, stellte Engel klar. Die Kooperation von Arbeitgeberseite und Personalvertretern fuße nicht zuletzt auf der gemeinsamen Zielvorgabe, durch einen Zugang zum Intranet, der auch über private Geräte erfolgen kann, alle Beschäftigten der Stadt an den digitalen Prozessen zu beteiligen, nicht nur jene, die in ihren Arbeitsplätzen über einen PC verfügen.

Als weitere „Baustellen“ der Umgestaltung für digitales Arbeiten nannte der Kölner Amtsleiter die Ausstattung der Beschäftigten mit Endgeräten für mobiles Arbeiten, die Umgestaltung der Bürolandschaft zu Teamarbeitsräumen, die auch technische Möglichkeiten für Besprechungen bieten, in denen nicht alle Teilnehmenden persönlich anwesend sein müssen, sowie die Einbeziehung aller Beteiligten durch regelmäßig tagende Arbeits-und Lenkungsgruppen. „Digitalisierung fordert das Miteinander“, so Engels Fazit, „wenn wir es wollen und bereit sind aktiv mitzugestalten.“

Bergmann: Licht und Schatten

„Licht und Schatten“ der Telearbeit arbeitete Rechtsanwalt Magnus Bergmann in seinem Vortrag heraus. Für die betroffenen Beschäftigten stünden zum Beispiel die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf, die größere Selbstständigkeit und der Wegfall von Wegezeiten, auf der einen Seite und fehlendes Teamwork oder mangelnde Teilhabe an betrieblichen Entwicklungen auf der anderen Seite gegenüber. Aus Arbeitgebersicht könnten vor die allem steigende Mitarbeiterzufriedenheit oder die Entzerrung betrieblicher Abläufe positiv vermerkt werden, während die Kontroll- und Motivationsmöglichkeiten durch Telearbeit eingeschränkt würden.

Es gebe in jedem Fall immer die „doppelte Freiwilligkeit“: Weder den Beschäftigten noch der Dienststelle könne die Telearbeit aufgezwungen werden. Durch die Beteiligung der Betriebs- und Personalräte bei der Organisation von Telearbeit und die Vereinbarung von entsprechenden Betriebs- oder Dienstvereinbarungen werde dadurch sogar eine „dreifache Freiwilligkeit“, so Bergmann. Im Zuge der Mitbestimmung könnten und müssten „Leitplanken“ definiert werden, etwa was Arbeitszeit, -ort und –kontrolle angehe, oder Themen wie Datenschutz und Arbeitsplatzsicherheit.

Zu den Folien von Magnus Bergmann (PDF)

Geyer: Selbstbewusstsein zählt

Zur Lösung der aktuellen Probleme und Herausforderungen brauche es brauche es selbstbewusste Betriebs- und Personalräte, machte Volker Geyer, dbb Vize und Präsident der dbb akademie, in seinem Schlusswort klar. Nur so könne die Digitalisierung im öffentlichen Dienst ein Erfolg werden. Geyer: „Unser 12. Forum Personalvertretungsrecht war eine sehr gute Gelegenheit, Fachkenntnisse zu sammeln und Erfahrungen auszutauschen. Zwei zentrale Voraussetzungen, um unsere Beteiligungsrechte einzufordern, Entwicklungen mitzugestalten und Haltelinien aufzuzeigen.“

 

 

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