Einkommensrunde im öffentlicher Dienst

Bund und Kommunen bieten „Mogelpackung“ – Warnstreiks ausgeweitet

„Wir werden den Arbeitskampf in den nächsten vier Wochen weiter intensivieren müssen“, bilanzierte dbb Chef Ulrich Silberbach nach der enttäuschenden zweiten Verhandlungsrunde über die Einkommen der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes von Bund und Kommunen.

Der Bund und die Vereinigung kommunaler Arbeitgeberverbände (VKA) seien „offenbar weiterhin nicht wirklich abschlussinteressiert“, so Silberbach am 23. Februar 2023. „Vor allem die VKA spricht zwar von einem ‚überzeugenden Gesamtpaket‘, will uns aber letztlich eine unfaire Mogelpackung unterjubeln. So verhindert man weder die drohenden Reallohnverluste der Beschäftigten – vor allem in den unteren Einkommensgruppen –, noch wird man den Anforderungen an einen konkurrenzfähigen öffentlichen Dienst gerecht.“

Besonders ärgerlich sei, dass die Kommunen weiter versuchten, ihre strukturellen finanziellen Probleme in Tarifverhandlungen zu lösen. „Das ist aber definitiv der falsche Ort“, machte der dbb Bundesvorsitzende deutlich. „Eine bessere finanzielle Ausstattung müssen die Kommunen gegenüber Bund und Ländern durchsetzen. In diesem Kampf würden wir die VKA sogar unterstützen. Da sie aber versuchen, ihre Haushaltssanierung durch den Griff in die Taschen unserer Kolleginnen und Kollegen zu erreichen, wird sich dieser Tarifkonflikt in den nächsten Tagen deutlich verschärfen. Die von der bevorstehenden Ausweitung unserer Warnstreiks betroffenen Bürgerinnen und Bürger können wir nur jetzt schon um Verständnis bitten, aber verantwortlich für diese Zuspitzung sind allein Bund und VKA.“

Am 27. Februar 2023 fanden entsprechend 24-Stunden-Warnstreiks in Nordrhein-Westfalen statt, unter anderem in Düsseldorf, Hagen und Bonn. „Ohne die Flughafenfeuerwehr steht der Flugbetrieb still. Das haben die Kolleginnen und Kollegen der Werkfeuerwehr eindrucksvoll und mit Nachdruck gezeigt“, betonte Andreas Hemsing, komba Bundesvorsitzender und dbb Vize, bei einer Kundgebung in Düsseldorf. „Die Nadelstiche der ersten Streikphase haben nicht ausgereicht. Bund und Kommunen haben bislang kein akzeptables Angebot vorgelegt. Der Frust und die Enttäuschung der Beschäftigten darüber sind riesengroß. Die Arbeitgebenden tragen die volle Verantwortung für die Ausweitung der Streiks im öffentlichen Dienst wie heute am Düsseldorfer Flughafen.“

Auf der Kundgebung vor dem Stadthaus in Bonn rief dbb Verhandlungsführer Ulrich Silberbach die Arbeitgebenden auf, in der nächsten Runde in Potsdam ein wirklich einigungsorientiertes Angebot vorzulegen. "Fünf Prozent auf 27 Monate und keinerlei Mindestbetrag. Das ist kein respektvolles Angebot, sondern Ausdruck von Respektlosigkeit. Für die finanzielle Misere vieler Kommunen sind nicht die Kolleginnen und Kollegen verantwortlich und sie weigern sich jetzt zu Recht, die Zeche für eine seit Jahren verfehlte Finanzpolitik zu zahlen.“ Gegenüber dem TV-Sender Phoenix machte der dbb Chef kurz vor Beginn der Kundgebung zudem deutlich, dass er ohne Mindestbetrag keine Abschlussoption sehe: „Die Arbeitgebenden kennen unsere Forderungen seit vier Monaten. Dass sie den Aspekt einer nachhaltigen sozialen Komponente komplett ausblenden, geht gar nicht.“

Am 28. Februar waren die Beschäftigten in ganz Niedersachsen zu einem ganztägigen Warnstreik aufgerufen. In Hannover fand Silberbach bei einer Kundgebung von über 1.500 Beschäftigten ebenfalls deutliche Worte: „Die Beton-Taktik der Arbeitgeber ist zukunftsfeindlich. Sie bremst uns aus, sie schätzt uns nicht wert und sie sendet fatale Signale an den so dringend über all unsere Branchen hinweg benötigten Berufsnachwuchs“, kritisierte Silberbach. An herausfordernden Krisen fehle es dem Staat nicht. „Betreuungs- und Bildungskrise, Migration und Geflüchtete, Klimawende – all das muss der öffentliche Dienst schultern und zwar so schnell wie möglich.“

Alexander Zimbehl, 1. Landesvorsitzender des NBB Niedersächsischer Beamtenbund und Tarifunion, unterstrich ebenfalls: „Die Kolleginnen und Kollegen haben keinerlei Verständnis mehr für die Hinhaltetaktik und Mogelpackungen der Arbeitgeberseite haben. Gerade in Anbetracht der Inflation und immer wieder von der Politik geäußerten Wertschätzung brauchen wir jetzt Taten, die wir in der Tasche spüren. Wertschätzung heißt leistungsgerechte Bezahlung, moderne Arbeitsbedingungen und verlässliche Perspektiven für junge Menschen. Jeder Arbeitgeber, der in diesen Punkten nicht liefert, hat heute schon verloren. Im Bereich der Daseinsvorsorge ist ein solches Szenario schlicht keine Option, denn damit brächten wir unsere wirtschaftliche und gesellschaftliche Stabilität gleichermaßen in Gefahr.“

Peter Specke, 2. Landesvorsitzender des NBB und Vorsitzender der komba gewerkschaft niedersachsen, kritisierte die „Leere-Taschen-Rhetorik“ insbesondere der VKA: „Der Tariftisch ist der falsche Ort, um die finanziellen Probleme der kommunalen Haushalte zu lösen. Die finanzielle Lage beispielsweise der Kita-Erzieherin oder des Bauhof-Mitarbeiters ist viel dramatischer als die des Stadt- und Staatssäckels, zumal die Kommunen erwiesenermaßen Einnahmen verzeichnen und im letzten Jahr sogar einen Nettoüberschuss erzielt haben.“

Am 2. März 2023 gingen auch in Kiel mehr als 1.000 Beschäftigte gegen die Ignoranz der Arbeitgebenden von Bund und Kommunen auf die Straße. „Fünf Prozent auf 27 Monate sind kein Angebot, sondern ein schlechter Scherz“, machte Andreas Hemsing, komba Bundesvorsitzender und dbb Vize deutlich. „Wir werden der Arbeitgeberseite zeigen, was wir von solch einer Respektlosigkeit halten: gar nichts“, erklärte Andreas Hemsing dort.

Heiko Teggatz, ebenfalls dbb Vize und Vorsitzender der Bundespolizeigewerkschaft (BPolG/DPolG), betonte: „Wir haben eigentlich alle Wichtigeres zu tun als diesen ewigen Tarif-Tanz mit den Arbeitgebenden aufzuführen – eigentlich sorgen wir gerne dafür, dass das Land funktioniert, sich die Menschen, die hier leben, sicher fühlen und auf einen verlässlichen Staatsdienst zählen können. Aber wer meint, er könnte uns mit einem Nicht-Angebot hinter die Fichte führen, hat sich schwer getäuscht. Uns gibt es nicht zum Nulltarif, also Schluss mit dem Verhandlungsboykott, her mit einem anständigen Angebot.“

Kai Tellkamp, Vorsitzender des dbb schleswig-holstein und komba Vize, unterstrich: „Aufgrund des dramatischen Personalmangels gehen die Kolleginnen und Kollegen seit Jahren auf der Felge, managen eine Krise nach der anderen oder auch mehrere gleichzeitig. Es ist ein Rätsel, wie die Arbeitgeber mit mickrigen Krumen, die sie uns hinwerfen, den öffentlichen Dienst fit für die Zukunft machen wollen, indem sie neues Personal gewinnen. Die Lösung lautet spürbar attraktive Einkommens- und Arbeitsbedingungen. Deswegen führt an einem deutlichen Einkommensplus kein Weg vorbei.“

Die dbb jugend hat am 2. März mit einer Protestaktion in Berlin auf die Personalschieflage im öffentlichen Dienst aufmerksam gemacht und ihre Forderungen in der Einkommensrunde untermauert. „Bereits heute fehlen rund 360.000 Menschen im öffentlichen Dienst. Diese Zahl kann sich bis 2030 auf über eine Million erhöhen. Wir können es uns nicht leisten, weiter untätig zu bleiben“, mahnte dbb jugend Chef Matthäus Fandrejewski. In der Einkommensrunde mit Bund und Kommunen fordern dbb und dbb jugend unter anderem die unbefristete Übernahme von Auszubildenden. „Noch immer werden Azubis nach ihrer erfolgreichen Ausbildung nicht garantiert und unbefristet in den Staatsdienst übernommen. Gleichzeitig fehlt es an allen Ecken und Enden an Personal. Da liegt es doch auf der Hand, diejenigen zu übernehmen, die man mit viel Mühe ausgebildet hat. Das geschieht aber nicht“, machte Fandrejewski, der auch Mitglied der dbb Bundesleitung ist, deutlich.

Eine weitere Forderung ist die Entgelterhöhung für Auszubildende sowie Anwärterinnen und Anwärter um 200 Euro. „Das wäre ein dringend notwendiges, wertschätzendes Signal in Richtung der jungen Beschäftigten“, betonte Sandra Heisig, 1. stellvertretende Vorsitzende der dbb jugend. Durch die Corona-Pandemie und die Folgen des Angriffskriegs auf die Ukraine hätten Auszubildende, Anwärterinnen und Anwärter in den letzten Jahren Aufgaben übernehmen müssen, auf die sie nicht vorbereitet waren. Hinzu kämen die gestiegenen Lebenshaltungskosten, mit denen besonders junge Menschen zu kämpfen hätten. Heisig: „Es kann nicht sein, dass diejenigen, die den Staat zukünftig am Laufen halten, mit ihrem Einkommen kaum über die Runden kommen!“

Auch dbb Vize und Tarifchef Volker Geyer unterstützte die Aktion vor Ort und stellte klar: „Der öffentliche Dienst braucht diese jungen Menschen dringend. Er kann es sich schlicht und einfach nicht leisten, seinem Nachwuchs noch länger vor den Kopf zu stoßen. Dass uns im öffentlichen Dienst die Fachkräfte fehlen, wissen wir nicht erst seit gestern. Wenn die Arbeitgebenden wirklich daran interessiert sind, eine Kehrtwende herbeizuführen, sollten sie die unbefristete Übernahme von Auszubildenden als Chance nutzen.“

Für die Zeit bis zur dritten Verhandlungsrunde vom 27. und 29. März in Potsdam sind weitere Aktionen angekündigt. Alle Informationen dazu gibt es unter dbb.de/einkommensrunde.

 

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