Online Diskussion „Der Lernende Staat"
Digitalisierung des öffentlichen Dienstes: Die E-Akte ist nur der Anfang
Bei der Digitalisierung der Verwaltung geht es nicht nur darum, die bisherige Arbeit mit mehr IT-Unterstützung zu erledigen. Vielmehr müssen Prozesse und Strukturen grundsätzlich überdacht werden, fordert die Vorsitzende der dbb jugend Karoline Herrmann.
„Es geht um mehr als alten Wein in neuen Schläuchen. Digitalisierung kann so viel leisten, das über die Einführung der E-Akte oder ähnliche Projekte weit hinaus geht. Wir haben hier die vielleicht einmalige Chance, unsere Verwaltung ganz neu zu denken", so Herrmann beim Online-Seminar „Der Lernende Staat – Neue Prozesse" des Behördenspiegels am 21. Juli 2020. Wichtig sei, dass die Beschäftigten bei diesem Wandel mitgenommen würden. „Das bedeutet: Personalvertretungen frühzeitig einbinden, Veränderungen transparent kommunizieren und vor allem die Aus- und Fortbildungskonzepte entsprechend anpassen. Denn klar ist, dass es eine ‚Digitalisierungs-Dividende‘ maximal langfristig geben wird. Kurzfristig werden wir sogar vermutlich mehr Personal brauchen und können es uns schon deshalb nicht leisten, auch nur eine oder einen Beschäftigte auf diesem Weg zu verlieren.“
Klar sei, so die Chefin der dbb jugend weiter, dass sich der Arbeitsalltag von vielen Beschäftigten verändern werde. „Wenn Routineaufgaben im Hintergrund entfallen, ist wieder mehr Raum für Service-Leistungen für die Bürgerinnen und Bürger. Ich halte es aber gerade mit Blick auf den Wettbewerb um Nachwuchs- und Fachkräfte für unabdingbar, dass auch die Kolleginnen und Kollegen von einer neuen Flexibilität profitieren. Stichworte sind hier zum Beispiel „Mobiles Arbeiten“ und „Homeoffice“. Allerdings müssen wir als Gewerkschaften hier genau hinschauen und auf verbindliche Regelungen bestehen, um eine totale Entgrenzung zwischen Arbeit und Privatleben zu verhindern.“
Auch für Modelle wie Arbeitsplatzteilung („Jobsharing“) oder geteilte Führungsverantwortung („Topsharing“) müsse es im öffentlichen Dienst mehr Raum geben. Herrmann: „Das ist gerade auch im Hinblick auf Gleichstellungsfragen interessant, wenn wir mit der Digitalisierung auch die Präsenzkultur hinterfragen.“ Zudem biete der Prozess der Digitalisierung auch die Chance auf ein neues Miteinander der Generationen. „Die ‚Digital Natives‘ beschäftigen sich von Kindesbeinen an mit neuen Technologien. Es muss uns gelingen, diese Fähigkeiten mit der Erfahrung der Älteren in diversen Teams zusammenzubringen. Darin liegt so viel Potenzial, dass bisher nicht ausreichend genutzt wird“, erklärte die Chefin der dbb jugend.