Einkommensrunde

Öffentlicher Dienst: Länder nicht mehr konkurrenzfähig

„Wir müssen sicherstellen, dass die Länder als Arbeitgebende konkurrenzfähig bleiben“, begründete Ulrich Silberbach die Einkommensforderung des dbb am 11. Oktober 2023 in Berlin.

10,5 Prozent, mindestens jedoch 500 Euro lautet die Forderung der Gewerkschaften. Silberbach: „Die Lage und die Forderung ist die gleiche wie im Frühjahr: Die Inflation frisst die Einkommen der Beschäftigten. Das müssen wir jetzt ausgleichen.“ Wenn die Länder ihre Interessen richtig einschätzen, könne man sich sehr schnell einigen, so der dbb Bundesvorsitzende weiter. „Die Länder sind auf dem Arbeitsmarkt oft nicht mehr konkurrenzfähig – nicht zur Privatwirtschaft und auch nicht zu Bund und Kommunen. Je nach Eingruppierung ergeben sich im Vergleich zum Bund demnächst Rückstände von weit über 10 Prozent. Schon mit Blick auf die demografische Lage und den leer gefegten Arbeitsmarkt müssen sie also ein Eigeninteresse haben, den Gleichklang mit Bund und Kommunen wiederherzustellen.“

„Die Kolleginnen und Kollegen im Länderbereich erwarten diesen Gleichklang in der Einkommensentwicklung im öffentlichen Dienst auch aus Gründen der Gerechtigkeit und Wertschätzung für ihre Arbeit“, ergänzte der dbb Fachvorstand Tarifpolitik Volker Geyer. „Erklären Sie mal einer Krankenpflegerin im Uni-Klinikum, warum sie demnächst für die gleiche Arbeit bis zu 300 Euro weniger bekommt als die Kolleginnen und Kollegen im kommunalen Krankenhaus.“ Auf einen Gleichklang in der Einkommensentwicklung haben auch Beamtinnen und Beamte sowie Versorgungsempfängerinnen und Versorgungsempfänger der Länder Anspruch, machte Ulrich Silberbach deutlich: „Wie immer erwarten wir eine umgehende und systemgerechte Übertragung jeder Tarifeinigung auf den Beamtenbereich. Erst dann wird diese Einkommensrunde abgeschlossen sein.“

Bereits vor dem Beschluss der Forderungen hatte der dbb Bundesvorsitzende Ulrich Silberbach im Interview mit der Frankfurter Rundschau am 10. Oktober 20233 für mehr Einheitlichkeit bei der Bezahlung im öffentlichen Dienst geworben: „Wir haben im Frühjahr einen sehr guten Tarifabschluss für Bund und Kommunen hinbekommen, den besten in der Nachkriegszeit. Er war ja etwas kompliziert mit linearer Komponente, Inflationsprämie und Sockelbetrag. Aber die Kolleginnen und Kollegen haben schnell gemerkt: Hoppla, da kommt ja richtig was rum.“ Dies sei angesichts der Inflation auch dringend nötig gewesen. Dies gelte auch für die Verhandlungen mit der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL), in der alle Bundesländer außer Hessen vertreten sind. „Wir haben damit schon eine gewisse Blaupause. Wir können uns ja auch nicht selber in die Tasche lügen. Wir fordern immer, dass die drei Gebietskörperschaften Bund, Länder und Kommunen wieder gemeinsam an einem Tisch verhandeln müssen. Es braucht einen Gleichklang auch beim Einkommen. So, wie es im Moment ist, werben die Gebietskörperschaften sich gegenseitig das Personal ab.“

Der Fachkräftemangel im öffentlichen Dienst hänge unter anderem damit zusammen, dass die Bezahlung im Vergleich zur Privatwirtschaft nicht konkurrenzfähig sei. Auch bei anderen Themen sei der Staatsdienst nicht gut aufgestellt. Silberbach: „Der Öffentliche Dienst hinkt bei der Digitalisierung weit hinterher. Die jungen Leute, die heute kommen, fragen nach Homeoffice, nach mobilem Arbeiten. Die wollen vielleicht auch nicht mehr 40 Stunden arbeiten, nicht mehr fünf Tage pro Woche, das sagen sie ganz klar. Und wenn dann der Arbeitgeber sagt, bei mir gibt es aber nur die Fünf-Tage-Woche, Präsenzpflicht und die Digitalisierung ist bei uns auch noch nicht so weit – dann springen viele Bewerberinnen und Bewerber ab. Positiv punktet der öffentliche Dienst immer noch mit der Möglichkeit, eine wirklich sinnstiftende Tätigkeit fürs Gemeinwohl anzubieten.“

Der dbb Chef warb außerdem einmal mehr für Bürokratieabbau: „Wir haben viel zu komplizierte Regeln und Verfahren. All das, was wir mit Digitalisierung erleichtern könnten, findet im Moment ja noch gar nicht statt. Ich kann bei Behörden einen digitalen Antrag stellen, aber der wird immer noch ausgedruckt und durch die Diensträume getragen. Da ist der Workflow dann noch analog und nicht digital. Das macht uns natürlich Schwierigkeiten, insbesondere weil wir ja sowieso schon viel zu wenig Leute haben. Man könnte das beschleunigen, indem man Regeln und Verfahren entbürokratisiert.“ Mit schlichtem Personalabbau sei dem Anliegen des Bürokratieabbaus aber nicht gedient. „Die FDP und die Union verstehen darunter immer, dass man dann auf ein paar Leute verzichtet. Auf keinen Fall: Uns fehlen deutschlandweit schon jetzt über 360.000 Menschen, da kann man nicht sagen, Digitalisierung ermöglicht Personalabbau. Wir brauchen die Leute gegen die zunehmende Überlastung und für Serviceverbesserungen für Bürgerinnen und Bürger.“

dbb jugend: Übernahmegarantie für Auszubildende muss endlich kommen

Die Entgelte für Auszubildende, Studierende und Praktikant*innen im öffentlichen Dienst sollen um 200 Euro monatlich erhöht werden. „Die Bezahlung ist und bleibt eine zentrale Stellschraube, um Fachkräfte zu gewinnen“, sagte Matthäus Fandrejewski, Bundesvorsitzender der dbb jugend, nach der Verkündung der Forderungen. „Das gilt vor allem in Zeiten der Inflation. Nur wer gut bezahlt, bekommt gute Leute. Und die braucht der öffentliche Dienst dringender als je zuvor.“

Für alle, die eine Ausbildung im öffentlichen Dienst erfolgreich abschließen, gibt es aktuell keine Übernahmegarantie. Fandrejewski: „Angesichts des Personalmangels ist es skandalös, dass wir diese Forderung überhaupt noch stellen müssen. Eine Übernahmegarantie ist in finanziell unsicheren Zeiten ein Anreiz für junge Menschen, um sich für den öffentlichen Dienst zu entscheiden. Seit Jahren läuft der Staat mit diesem Ass im Ärmel herum. Es wird Zeit, dass er es endlich ausspielt.“

DBB NRW: Wettbewerbsfähige Gehälter und mehr Anerkennung

Roland Staude, erster Vorsitzender des DBB NRW, sagte zum Forderungsbeschluss: „Zur Attraktivitätssteigerung des Öffentlichen Dienstes bedarf es wettbewerbsfähige Gehälter gegenüber der Privatwirtschaft und den Gebietskörperschaften. Zudem muss der Tarifabschluss auch eine Anerkennung gegenüber allen Beschäftigten ausdrücken, die zunehmender Bedrohung und Gewalt ausgesetzt sind. Das betrifft inzwischen ja nicht mehr nur Beschäftigte bei Polizei, Feuerwehr und Rettungsdiensten sondern, nach einer kürzlich vorgestellten Studie des dbb, flächendeckend auch Lehrer, Pflegekräfte, Förster, Tierärzte und Angestellte öffentlicher Einrichtungen.“

dbb sh: Personal darf nie unbezahlbar sein

Nur mit konkurrenzfähigen Einkommensbedingungen kann es gelingen, Personal zu gewinnen und zu binden. „Und das ist mit Blick auf die vielen freien und frei werdenden Stellen unverzichtbar, wenn der Staat und seine meistens bereits überlasteten Beschäftigten nicht weiter in die Knie gehen sollen“, so Landesbundvorsitzender Kai Tellkamp. Die aus den Reihen der Landesregierung zu vernehmende Argumentation der Unbezahlbarkeit lässt der dbb sh nicht gelten: Unbezahlbar ist vielleicht der Aufgabenumfang, aber das zur Erfüllung beschlossener Aufgaben benötigte Personal darf nie unbezahlbar sein. Sonst wird die Politik ihrer Verantwortung gegenüber den Menschen, die sich auf den öffentlichen Dienst verlassen, nicht gerecht.

Hintergrund:

Von den Verhandlungen mit der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) sind etwa 3,5 Millionen Beschäftigte betroffen: Direkt ca. 1,1 Millionen Tarifbeschäftigte der Bundesländer (außer Hessen), indirekt ca. 1,4 Millionen Beamtinnen und Beamte der entsprechenden Länder und Kommunen sowie rund eine Million Versorgungsempfängerinnen und Versorgungsempfänger. Es sind drei Verhandlungsrunden für den 26. Oktober, den 2. bis 3. November sowie den 7. bis 9. Dezember 2023 vereinbart. Alle Informationen zur Einkommensrunde gibt es unter dbb.de/einkommensrund​​​​​​​e.

 

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