EU: Mehrheitsentscheidungen bei Sozialpolitik
Sozialstaatlichkeit der Mitgliedsländer ist bedroht
Die EU-Kommission hat sich für den Übergang zu Mehrheitsentscheidungen in der Sozialpolitik ausgesprochen. Friedhelm Schäfer, Zweiter Vorsitzender des dbb, hält dieses Vorgehen für verfrüht.
„Die Sozialpolitik gehört nicht nur zum Kernbereich der nationalen Souveränität“, betonte Schäfer am 21. Juni 2019 in Berlin, „sie stiftet darüber hinaus Identität für die Mitgliedstaaten.“ Der Grundsatz der Subsidiarität stehe einer Zentralisierung in diesem sensiblen Politikfeld entgegen. Erst wenn die Lebensverhältnisse im Binnenmarkt sehr viel gleichwertiger seien, könne ein solcher Schritt erfolgen, so der Fachvorstand Beamtenpolitik weiter. „Für Mehrheitsentscheidungen in allen Bereichen der Sozialpolitik ist es schlicht und ergreifend zu früh.“
Schäfer unterstützt daher die ablehnende Haltung des EU-Ausschusses des Bundesrats und erwartet, dass sich dieser in der Bundesratssitzung am 28. Juni durchsetzt. „Der Ausschuss sagt klipp und klar, dass die gegenwärtigen vertraglichen Regelungen angemessen und keine Änderungen nötig sind“, stellte der dbb Vize fest. „Das teilen wir als dbb ausdrücklich.“
Die Warnung des EU-Ausschusses vor der Wirkung auch unverbindlicher Empfehlungen in der Sozialpolitik teilt Schäfer ebenso. „Aus unserer Sicht haben wir bereits weitreichende Empfehlungen im Rahmen des Europäischen Semesters, das ja um ein soziales Scoreboard ergänzt worden ist.“ Dessen Wirkung soll laut Schäfer erst einmal erprobt werden. Den zusätzlichen Nutzen weiterer unverbindlicher Empfehlungen sieht der dbb nicht.
Eine klare Absage erteilte Schäfer folglich der Haltung der beiden Bundesratsausschüsse für Arbeit, Integration und Soziales sowie für Frauen und Jugend. Beide befürworten den Übergang zu Mehrheitsentscheidungen und sprechen sich sogar für Richtlinienvorschläge aus, wo die Kommission nur unverbindliche Empfehlungen vorsieht. „Die Sozialsysteme der Mitgliedstaaten haben alle ihre wohl begründeten Besonderheiten.“ Weiterentwicklung sei immer geboten, fuhr Schäfer fort, müsse aber innerhalb der Systeme erfolgen. „Sonst kracht das ganze Gebäude der Sozialstaatlichkeit in sich zusammen. Eine Zentralisierung widerspräche auch allen Vorstellungen von einem föderalen Europa.“