Chancengleichheit im öffentlichen Dienst:
Wildfeuer: Mit gesetzlichen Regelungen allein ist es nicht getan
"Gesetzliche Regelungen alleine reichen nicht aus, um Männern und Frauen gleiche Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu gewährleisten", hob Helene Wildfeuer, Vorsitzende der dbb bundesfrauenvertretung, am 23. Oktober 2011 auf dem Bundesdelegiertentag der Frauen Union in Wiesbaden hervor. Um aber Chancengleichheit im öffentlichen Dienst für beide Geschlechter auch im Ergebnis zu erzielen, müsse eine ständige Überprüfung der gesetzlichen Grundlagen und deren Einfluss auf die Entwicklung der Lebensverläufe von Männern und Frauen erfolgen: "Die Verantwortung dafür liegt beim Gesetzgeber."
Zudem sei es offensichtlich, dass auch im öffentlichen Dienst Karrieren dann aus dem Gleichgewicht geraten, sobald eine Beschäftigte oder ein Beschäftigter die Arbeitszeit reduziere. "Dies ist, wie in der Wirtschaft, der Hauptgrund, warum Männer sich gegen das Arbeitszeitmodell Teilzeit entscheiden. Es kann die Karriere schädigen, auch im öffentlichen Dienst", betonte Helene Wildfeuer und spielte damit auf die Problematik bei der dienstlichen Beurteilung an. "Oft werden Teilzeitkräfte als Arbeitskräfte mit halber Kraft bewertet. Ein Aufstieg kann sich aufgrund einer schlechten Beurteilung um viele Jahre hinauszögern. Der Anteil an weiblichen Führungspersonen ist dazu unverhältnismäßig niedrig. Ebenso findet man Männer in Teilzeit noch immer nur mit der Lupe", so die Vorsitzende. Aktuell seien mehr als die Hälfte der Beschäftigten der öffentlichen Verwaltungen Frauen, mehr als 80 Prozent von ihnen jedoch in Teilzeit.
Aufschlussreich sei laut Helene Wildfeuer auch der Blick auf die allgemeine Entgeltentwicklung von Männern und Frauen über ein Erwerbsleben hinweg. "In den vergangenen 20 Jahren hat sich für berufstätige Frauen nichts geändert: Von Berufseinstieg bis zum Karrierehöhepunkt ab Mitte 40 stieg das durchschnittliche männliche Erwerbseinkommen um 23 Prozent; das einer Frau hingegen nur um 3,7 Prozent!", gab Helene Wildfeuer zu bedenken und verwies auf die noch immer deutlichen Verdienstunterschiede von männlichen und weiblichen Beschäftigten im öffentlichen Dienst von mindestens acht Prozent. Eine Lösung, sieht Helene Wildfeuer in einer Neubewertung der Berufe im Tarif- und Besoldungssystem: "Damit könnte einer der stärksten Faktoren der Entgeltungleichheit abgefedert werden." Um die berufliche Leistung geschlechterneutral zu definieren, schlug sie vor, neue Bewertungskriterien zur Ermittlung der Entgelte heranzuziehen, wie etwa die Berücksichtigung von körperlicher Belastung, psychischer Herausforderung oder etwa gesellschaftlicher Verantwortung. "Die Tätigkeit einer Erzieherin würde unter diesen Gesichtspunkten mit der einer Beschäftigten im technischen Diensts besser vergleichbar", so die Vorsitzende.