• Lucia Puttrich

Gastbeitrag von Lucia Puttrich, Hessische Ministerin für Bundes- und Europaangelegenheiten und Bevollmächtigte des Landes Hessen beim Bund

Die Bedeutung Europas für die Kommunen wächst

Die Kommunen und Europa haben auf den ersten Blick den denkbar weitesten Abstand aller politischer Ebenen untereinander. Doch dieser Eindruck täuscht.

Die Kommunen sind in vielfältiger Weise mit der europäischen Ebene verflochten. Was als Städtepartnerschaften oder in Freundschaftsvereinen lange vor dem europäischen Integrationsprozess begann, ist heute zu einem dichten europäischen Netzwerk geworden.

Nicht nur durch ihr jahrzehntelanges europäisches Handeln sind die Kommunen ein wichtiger europapolitischer Akteur, sondern weil sie regelmäßig für die Umsetzung wichtiger europäischer Vorhaben und Projekte zuständig sind. Die EU-Ebene kann zum Beispiel die Losung „Vorfahrt für erneuerbare Energien“ ausgeben. Planungsrechtlich, baurechtlich und verwaltungstechnisch umgesetzt werden muss diese Politik aber vor allem auch auf der lokalen Ebene. Hier sind die Landkreise und Kommunen besonders gefordert.

Das ist aber nur eine Seite der Medaille. Auf der anderen Seite sind die Kommunen auch vielfach Nutznießer europäischer Förderungen. Insbesondere im Bereich der Strukturförderungen, aber auch im Bereich der Arbeitsmarktförderinstrumente oder bei sozialen Projekten unterstützt die EU Kommunen aus den EFRE- und ESF-Fonds. Ebenso stellt die Förderung im Rahmen von LEADER eine wichtige finanzielle Unterstützung bei der Entwicklung kommunaler Projekte im ländlichen Raum dar.

Um diese europäischen Potentiale weiter zu heben, ist es richtig und wichtig, die kommunalen Beamten weiterhin im Umgang mit europäischen Förderverfahren zu unterstützen – etwa durch Fortbildungen, Austauschprogramme oder interkommunale Kooperationen.

Denn schon heute ist absehbar, dass die europäischen Anforderungen eher steigen als sinken werden. Nicht nur, weil im Zuge der Corona-Pandemie erhebliche finanzielle Mittel über den NextGenerationEU-Fonds an die Mitgliedstaaten der EU ausgekehrt und mithin zahlreiche Fördermöglichkeiten – auch für Kommunen – im Bereich des Klimaschutzes und der Digitalisierung geschaffen wurden, sondern weil die finanzielle Förderung durch Brüssel oft an komplexe Vorgaben gebunden ist. Vor diesem Hintergrund ist auch der Anspruch der Kommunen nach mehr Mitsprache in Angelegenheiten der EU, insbesondere bei der Ausgestaltung von Förderinstrumenten, nachvollziehbar und zu unterstützen.

Zwar ist die Mitwirkung der Kommunen im Rechtssetzungsverfahren bei den letzten europäischen Vertragsrevisionen durchaus verbessert worden. So wurde etwa der Ausschuss der Regionen (AdR) im Vertrag von Lissabon gestärkt. Das geschah aber noch in einer Zeit, als die europäische Politik sowohl regulatorisch als auch monetär einen wesentlich geringeren Einfluss auf die Kommunen hatte als heute. In der deutschen Delegation stehen den Kommunen drei der 24 Sitze zur Verfügung; sie sind dort durch die drei kommunalen Spitzenverbände vertreten.

Doch sich in Brüssel zu behaupten, ist nicht einfach. Das wissen auch die Vertreter kommunaler Anliegen auf EU-Ebene. Die europäische Hauptstadt ist ein hochdynamisches Pflaster. Dort sind nicht nur die Ständigen Vertretungen der 27 Mitgliedstaaten und die Vertretungen der Regionen, sondern auch zahlreiche andere Interessengruppen aus den verschiedensten Bereichen aktiv. Auch der Deutsche Landkreistag, der Deutsche Städtetag und der Deutsche Städte- und Gemeindebund sind mit eigenen Büros vor Ort präsent. Um zu bestehen, muss man gut vernetzt sein und im richtigen Moment seine Anliegen bei den maßgeblichen Entscheidungsträgern vortragen. Hessen hat den Vorteil, nicht allein, sondern häufig im Verbund mit seinen europäischen Partnerregionen aufzutreten. Schon früh hatte Hessen sich entschieden, ein Mehr-Regionen-Haus in Brüssel aufzubauen. Unsere Partnerregionen aus der Emilia-Romagna, der Wielkopolska und der Nouvelle-Aquitaine haben ihre Vertretungen in unserer Landesvertretung, ebenso wie das Hessische Handwerk, die Metropolregion FrankfurtRheinMain und Fraport. Wir treten nicht nur gemeinsam auf, sondern nutzen verschiedene Veranstaltungen auch dazu, Best-Practice-Beispiele aufzuzeigen. Denn auch das gehört zu einem lebendigen Europa. Der Dialog untereinander ist in Brüssel mindestens ebenso wichtig wie der mit den Vertretern der europäischen Institutionen.

Letztlich möchte ich die Kommunen einladen, sich an ihre Landesvertretungen in Brüssel zu wenden. Diese sind hervorragende Bühnen, sich in Brüssel vor Fachpublikum und Vertreterinnen und Vertretern der europäischen Institutionen zu präsentieren. Nichts geht über den persönlichen Austausch, das haben wir nicht zuletzt während der Pandemie schmerzlich gespürt. Deshalb: Kommen Sie nach Brüssel, entsenden Sie ihre Fachleute in die europäischen Gremien, suchen Sie die europäische Vernetzung.

 

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